Das Telefon klingelt. Es schreit. Es schrillt eindringlich.
Egon ruft mir ungeduldig durch den Hörer zu.
Ich bin gerade grundentspannt zurück aus Mallorcas Bergen
und wenn Egon schrillt, ist ignorieren allemal zwecklos.
So frage ich den Hörer artig nach seinen Wünschen.
Willst Du zum Essen kommen, fragt er.
Ich habe Wildschweingulasch und wir machen frische Spätzle.
Aha, sag ich, was brauchst Du so?
Meine Erfahrung lehrt, dass Egon Wünsche hat, wenn er mich anruft.
Wenn er mich einlädt, sowieso.
Nichts, grinst der Hörer. Wir essen Wildschwein und trinken Nero d‘ Avola.
Aha, sag ich. Hast Du jetzt neuen Wein entdeckt?
Jaaa, antwortet Egon, ein wenig schüchtern in seinen Hörer.
Wir kosten meine Funde.
Und wieso Nero d‘ Avola?
Nicht, dass ich irgendwelche Gründe gegen diese Rebsorte vorzuweisen hätte.
Aber Egon ist ja nicht so der Experte im Rebsorten Test.
Weil mir das zugefallen ist, mault Egon in seinem Hörer.
Was musst Du immer alles hinterfragen.
Ein Punkt für ihn. Das geb ich zu.
Gut, lenk ich ein. Nicht fragend wollend, wer ihm den neuen Wein eingetrichtert hat.
Ich komme morgen. Dann könnte ich ja auch noch Weine finden.
So soll es sein, ruft Egon.
Ich kann ihn durch den Hörer strahlen sehn.
Am nächsten Tag bei wirklich sehr gelungener Speise lüftet Egon dann sein Geheimnis.
Er hat eine neue App geladen, in der ihm sogenannte Weinexperten jahreszeitliche oder auch modebedingte Trends präsentieren. Dass ich die Wirkung solcher Apps etwas bedenklich finde, das weiß er schon. Denn es ist pauschaliertes Wissen, nicht abgestimmt auf individuellen Weingeschmack. Umso mehr freue ich mich, dass er dann doch verkosten und fragen will. Die Weine, die wir kosten, machen Freude.
Was macht Sizilien so prägnant und warum ist es kein Gebiet, das viele kennen?
Sizilien gehört nun nicht zu den hotpsots Italiens und sicher weiß so mancher Weinkenner nicht, dass trotz der Gluthitze dort wunderbare Weine wachsen. Die kühle Luft des Meeres bringt in der Verbindung mit vulkanischem Boden würzige und durch Tannin Gehalt langlebige Weine hervor.
Die Rebstöcke des Nero d‘ Avola sind oft sehr niedrig und knorrig und die besten Weine wachsen in vereinzelten Stöcken am Ätna. Durch seine ausgeprägte Tanninstruktur ist der Wein nicht einfach in der Handhabung. Lange Zeit als Kraftgeber in Cuvées verkommen, wird er seit Beginn der 90er Jahre reinsortig ausgebaut und erzielt beachtliche Erfolge.
Vor allem durch den Vormarsch der Weingüter Planeta, Cusumano, Tasca de Almerita hat die Rebsorte an internationaler Beachtung gewonnen.
Und auch so manche weiße Traube wie Fiano oder Grillo gedeiht hier und hat Kraft und Würze.
Nero d‘ Avola ist nicht leicht zugängig, jedoch einer Beachtung mehr als wert.
Es ließ sich bei der Verkostung feststellen, dass es zwei Stilistiken in den Weinen gibt:
Einmal die etwas kühlere elegante Variante, sehr gewürzbetont mit prägenden Tanninen,
welche eine gute Begleitung zu würziger Pasta oder einem Vesper darstellt.
Zum anderen die etwas fruchtbetonteren wuchtigeren Weine mit gut eingebundenen Tanninen, welche als Speisenbegleiter dann auch entsprechend kräftige Gerichte verlangen.
Egon und ich waren sehr zufrieden mit feinem Wildschwein, frischen Spätzle und der Verkostung von Siziliens Rotwein.
Hier sind unsere Funde.
Wie immer ohne Gewähr auf Vollständigkeit.
Die Kühlen
2018 Nero d‘ Avola, DOC
Cusumano, Sicilia
13,5% Vol. – Ausbau im Edelstahl – Glaskork
In der Nase Kaminrauch, Espresso, Schwarzer Pfeffer, Süßkirsche, Pflaume, Lorbeer, Zartbitter.
Adstringenter Gaumenauftakt gefolgt von weichen dunklen Fruchtaromen, gerbig mit viel Süßkirsche und leichter Würzigkeit.
Im mittleren Nachhall jugendliche noch etwas unruhige Tannine, mündend in Toast und Zartbitter.
Junger frischer noch etwas gerbiger Wein. Braucht Zeit und Luft.
Speisen
Flammkuchen mit Speck, Zwiebeln, Kartoffeln, Zucchini, Schmand
Vesper mit Pasteten, getrockneten Tomaten, Oliven, marinierten Gemüsen, Kräuterbutter, Baguette
2017 Plumbago, Nero d’Avola DOC
Planeta, Sicilia
14% Vol. – Ausbau 10 Monate im Barrique
Teer, Graphit, Brombeere, kräutrige Noten eröffnen die Nase. Fenchelsaat, nasse Blätter, Oregano, gefolgt von Mandeln, Zimt, Kaffeepulver, Flieder, Schlehe, Rosa Pfeffer.
Am Gaumen Schwarzkirsche und Cassis, kurze Adstringenz, langsam sich öffnend, Schattenmorellen Nougat, Zimt, Mandeln, Orangeat, Lorbeer, Zartbitter.
Weicher mittlerer Nachhall, sehr würzig, Fruchtaromen gut ausbalanciert mit zartem Tannin. Kräftiges Mundgefühl.
Vielseitiger Wein, sich langsam öffnend, kühl, ausbalanciert, würzig. Mein Favorit.
Speisen
Vesper mit Leberwurst, Lardo, Mortadella, Oliventapenade, Pilzsalat, Graubrot, Paprikaschmand
Pasta mit Kalbsragout und Fenchel
Fisch mit Kräuterkruste, gebackenen Süßkartoffeln
2018 Sedàra, Rosso Sicilia DOC
Donna Fugata, Sicilia
13,5% Vol. – Ausbau 4 Monate im Zement
In der Nase Sauerkirsche und nasses Laub. Zartbitter, kalter Kamin, Zigarrenblätter, Rosa Pfeffer, Cassis.
Zartbitter und Lakritz eröffnen den Gaumen, gefolgt von würzigen Noten, Jamaikapfeffer, Lorbeer, Gewürzstrauß. Leicht gerbig, kühles Mundgefühl.
Langer Nachhall mit prägenden Tanninen, langsam sich öffnender Frucht, kühles toastiges finish.
Vornehmer Wein. Zurückhaltend. Facettenreich. Eine Entdeckung.
Speisen
Paillard vom Kalb, Olivenpesto, Rösti mit getrockneten Tomaten, geschmorter Fenchel
Gebratene Kalbsleber in Himbeersauce, Brokkoliflan, Brotchips
Pasta mit Steinpilzragout
2017 Regaleali, Nero d’Avola DOC
Tasca di Almerita, Sicilia
13% Vol. – Ausbau 6 Monate im grossen Holz
Süßkirsche, Schwarztee, Süßholz, Thymian, nasse Blätter eröffnen die Nase, gefolgt von Brombeere, Heidelbeere, Jamaika Pfeffer, Lakritz, Mandeln.
Kräftiger Fruchtauftakt am Gaumen mit Kirsche und Brombeere, kurze Adstringenz, abgelöst von Nougat, Lakritz, kräutrig, Kakao.
Langer Nachhall mit leichter Säure, anfangs etwas kühl, weiche präsente Tannine mündend in toastigen Noten und Fruchtaromen.
Filigran aber doch kompakt. Sehr beerig und etwas kühl.
Speisen
Rinderfilet mit Café de Paris Butter, Kaiserschoten, Kartoffel-Baumkuchen
Gebratener Hischrücken, Romanesco, Serviettenknödel
Die Fruchtigen
2018 Tareni, Nero d‘ Avola DOC
Cantine Pellegrino, Sicilia
13,5 % Vol. – Ausbau im Edelstahl – DIAM Kork
Teer, kalter Kamin, Rosa Pfeffer, Schlehe, Süßholz, Nelken bestimmen die Nase.
Am Gaumenauftakt leichte Säure, Rote Beeren, Schlehe, Süßkirsche, Tabak, Zartbitter.
Im kurzen Nachhall viel Teer, Rauch, wenig Frucht. Mündend in kompakten finish mit Zartbitter und Toast.
Jugendlich. Leicht. Unkompliziert.
Speisen
Wildschweingulasch mit Brokkoli, Schalotten und Spätzle
Gemüseauflauf mit Knoblauch, Aubergine, Zucchini, Kartoffeln und Senfsaat-Joghurt-Dip
2016 Nero d‘ Avola DOC
Cantine Morgante, Sicilia
14,5% Vol. – Ausbau 4 Monate im Barrique
In der Nase Schwarzkirsche, Rumtopf, Liebstöckel, Teer, Graphit, Nougat, Wacholder, Schwarztee, Süßholz.
Prägender Fruchtauftakt am Gaumen mit Rumtopf, Espresso, Pfeffer Tabak, auskleidende sehr weiche Tannine.
Im langen Nachhall prägende gut eingebundene Tannine mit viel Frucht und Zartbitter.
Sehr lang, sehr beerig und ausgewogen. Braucht viel Luft.
Speisen
Lammrücken mit Kräuterkruste, Herzoginkartoffeln, Ratatouille
Gröstl von der Blutwurst, getrüffeltes Kartoffelpüree, geschmorter Römersalat
2018 Sherazade, Nero d’Avola DOC
Donna Fugata, Sicilia
13% Vol. – Ausbau 9 Monate im Zement
Teer, Stall, Jod, Tabak eröffnen die Nase, gefolgt von Rumtopf, Zimt, Majoran, Nougat, Espresso, Karamell, Süßkirsche, Zigarrenrauch.
Üppiger Fruchtauftakt am Gaumen, abgelöst durch leichte Adstringenz, auskleidend mit viel Nougat, Toast, Tabak, Karamell.
Langer Nachhall mit prägender Frucht und präsenten sehr weichen Tanninen.
Üppig. Everybody’s Darling.
Speisen
Medaillons vom Reh, Specksauce, glacierter Rosenkohl, Topinamburpüree
Schweinefilet in Espressosauce, Kürbis Ravioli
2017 Lamùri Regaleali, Nero d’Avola DOC
Tasca di Almerita, Sicilia
13,5% Vol. – Ausbau 12 Monate altes und neues Barrrique
Die Nase eröffnen Teer, Espresso, nasses Laub gefolgt von Rumtopf, Brombeere, Graphit, Zartbitter, Liebstöckel, kalter Kaminrauch.
Fruchtiger Gaumenauftakt, kurze Adstringenz, würzig, kräutrig mündend in Nougat, Rumtopf, Toast, Orangeat.
Im langen Nachhall sehr dicht, etwas toastig, geprägt von dunkler Frucht und weichem Tannin.
Eleganter kompakter Wein. Gute lange Tanninstruktur. Sehr weich.
Speisen
Geschmorte Lammkeule, Safran-Selleriegemüse, Kartoffelkrapfen
Blutwurst Ravioli mit Trüffelschaum
Egon und Siziliens Rotwein.
Eine gelungene Reise in die Welt des Nero d‘ Avola.
Bezugsquellen und Preise
Braun’s Living, Bad Vilbel
Cusumano € 7,99
Mövenpick Weinkeller
Plumbago € 10,90
Morgante € 12,00
Superiore
Sedára € 8,75
Sherazade € 10,60
Regaleali € 8,45
Lamúri € 9,75
Tareni € 6,95
Die WeinPlanerin. Wein und Speise. Korrespondierend oder Konträr.
Trotz meiner Abkehr vom Fleisch kehre ich immer wieder gerne zu schweren Rotweinen zurück. Da kommt mir Julianes Auswahl sizilianischer Tropfen wie gerufen. Ein verheißungesvoller Rundgang in die Anbaugebiete rund um den Ätna verspricht Abenteuer für Nase und Gaumen. Die schön gestalteten Etiketten selten gehörter Namen tun ein Übriges zur Erhöhung des Genusses.
Danke für die immerwährende Begeisterung. Und ja, es gab dieses Mal viele schöne Namen und Etiketten.