Nachlese. Speise & Wein. Ein Versuch in neuen Zeiten.

Heidelberg. Es ist ein kaltes Wochenende Anfang Oktober. Sehr kalt.
Wir haben vorsorglich unsere Gäste gebeten, sich eine Jacke oder einen Schal mitzunehmen, denn bei fünf Stunden Weinmenü muss in heutigen Zeiten mehrfach gelüftet werden.

Annette Popig und ich hatten Samstag und Sonntag zum Weinmenü geladen. Und bis zum letzten Augenblick gezittert, ob wir bei steigenden Infektionszahlen in der pandemischen Zeit unsere Abende auch durchführen können.

Speise & Wein. Ein Versuch in neuen Zeiten.

Unter strengem Regelwerk ziehen wir Tische auseinander, statt Gäste an einen Tisch zu platzieren, die sich nicht kennen, damit sie fröhlich miteinander kommunizieren. So wie wir es in der Vergangenheit zu aller Wohlgefallen taten. Dieses Mal ist alles anders. Und wird es dann auch wieder nicht sein, denn die Menschen reden auch über den Abstand von Tisch zu Tisch miteinander.

Das Essen und die Weine sprechen für sich. Und meine Moderation, die einiges an Wissen vermischt mit Anekdoten bot, war trotz der Maskenpflicht von Lebendigkeit geprägt.

Weinladen Heidelberg Weinmenü Weinmenü

 

 

 

 

 

 

Zum zweiten Mal sind wir zu Gast bei Felix Kühner, Besitzer des Weinladens Laibach & Seeger in der Bahnstadt. Ein wunderschöner Laden mit Holztischen aus der Werkstatt von Rolf Kühner. Man sitzt inmitten gemütlicher Weinregale.  Und in der angrenzenden Küche gibt es auch für die Köchin einiges an Platz. Der Servicetisch wird allerdings im Vorraum aufgebaut.

Dass die Ladenbesitzer auch ein Weingut im Stellenbosch haben, dürfte meinen Lesern inzwischen hinlänglich bekannt sein. Deshalb haben wir auch wieder einige der Laibach Tropfen ausgeschenkt.

Unter den Gästen einige vertraute Gesichter. Zu meiner Freude jedoch auch viele „Ersttäter“ mit großem Interesse an der Sensorik von Speise und Wein.

Annette Popig und ich servierten folgend Ameuse, 5 Gänge und ein Törtchen,
begleitet von korrespondierenden Weinen aus dem Bestand des Ladens.

Als Parallele gab es dieses Mal eine Premiere. Wir tranken Pinot Noir aus zwei verschiedenen Jahrgängen und zwei verschiedenen Gegenden. Ich habe mich besonders gefreut auf diesen Gang.

Es gab noch eine eher dem Zufall geschuldete Neuheit bei diesen Abenden.
Die gesamte Weinfolge bestand aus reinsortigen Tropfen, keine einzige Cuvee mischte sich zwischen die Reihen.
Das hatten wir noch nie.

Fröhliche Stimmung, viele interessierte Fragen. Und bei manchem Gast ein „Aha“ Erlebnis, weil schmeckbar war, wie sich ein Wein mit der Speise verändert. Für mich ist das ein besonderes Anliegen.

Mietköchin Annette PoppigMietköchin Annette Poppig Mietköchin Annette Poppig Weinmenü

 

 

Speise & Wein. Ein Versuch in neuen Zeiten.

 

Weinplanerin Weinplanerin Weinplanerin

 

Lesen Sie hier das Werkbuch
von Annette und mir.

 

 

 

 

 

 

Crostini mit Artischocke und Kirschtomaten
Crostini mit Artischocke und Kirschtomaten

Riesling Sekt Extra Brut, von Winning, Pfalz
weißer Pfirsich, feine Würze, etwas zitrisch, feine Perlage

 

Risling Sekt brut von Winning

 

Das Ameuse bleibt die einzig freie Entscheidung in unseren Kreationen. Dennoch gab das geröstete Brot mit den leicht süßlichen Komponenten des Gemüses einen guten Kontrast zum frischen Auftakt des Sektes.

 

Rindertatar mit Blumenkohlflan und Senfbröseln

 

Charolais-Beef Tatar mit Blumenkohlflan und Senfbröseln
Rinderfilet, Kapern, Pfeffer, Eigelb, Worchstersauce, Olivenöl, Dijonsenf;
Blumenkohl, Sahne, Ei; Semmelbrösel, Butter, Senf, Eigelbgrenache Rose Contre Sens Jean Olivier

 

2018 Contre Sens, Grenache Rosé, Jean Olivier, Tavel 
Nase: Erdbeere, Cassis, Mandel, Erdbeerblätter, Sauerkirsche, Garrigue, würzig
Gaumen: kräftiger Fruchtauftakt, Erdbeere, Kirsche, leichter Anflug von Kräutern
Nachhall: fruchtig, leicht & kurz, etwas süß im finish

Die Fruchtigkeit des Weines vertrug sich gut mit Tatar und Kapern, die leichte Würzigkeit war ein Gedicht zu Flan mit Bröseln. Der Flan gehört aus meiner Sicht auf die „best off“ Liste, auch wenn die Köchin das in ihrer Bescheidenheit nicht gerne hört.

 

 

Grünes Ratatouille mit Burrata
Zucchini, Spinat, grüne Paprika, Zwiebeln, Olivenöl, Agavensirup, Chili, Basilikum;
Burrata (sehr cremiger Mozzarella)

 

Ladybird Sauvignon laibach2017 Sauvignon blanc, Laibach Vineyards, Stellenbosch         
Nase: Gras, Grüne Paprika, Feuerstein, weiße Johannisbeere, Ginster, Maracuja, laktisch, grüne Walnüsse
Gaumen: Grasiger Auftakt, etwas Drops, viel Mandeln, Litschi, Maracuja
Nachhall: lang, gute Balance von Frucht & zarter Säure, rund & weich

 

Sehr eleganter Sauvignon, den das Gut nur in besonders kühlen Jahren keltert. Die Trauben kommen aus einer benachbarten Traubenfarm. Die kräftige Nase begleitet das Gemüse, die zarten Fruchtnoten mit leichter Frische bilden einen guten Kontrapunkt zur mittleren Schärfe des Gerichts.

 

 


Zander in der Korianderkruste mit Roter Mojo
Zanderfilet, Kruste aus Koriandersaat, Langpfeffer, Sesam, gebraten in Öl;  Mojo: Aubergine, rote Paprika, Tomaten, Mandeln, Kreuzkümmel, Knoblauch, Minze, Limette

 

Chardonnay Seeger2018 Chardonnay, Weingut Seeger, Kraichgau   
Nase: Haselnüsse, Ananas, Honigmelone, Pampelmuse, Buttertoast, Majoran, Birnenkompott, Banane
Gaumen: frisch zunächst, dann toastig, ausladende gelbe Früchte
Nachhall: lang & weich, sehr ausgewogen, leichte Frische, zitrisch, etwas Karamell, Melone, Pampelmuse

Die Nase lässt einen Holzanteil in diesem Wein vermuten, doch Felix Kühner, der Thomas Seeger sehr gut kennt, sagt, in der Classic Linie Seegers gäbe es kein Holz. Dennoch ist der Chardonnay sehr kräftig von Nase und Geschmack.
Hier war eine unglaubliche Veränderung zu bemerken. Die nussigen Aromen lösen sich in Verbindung mit der Mojo auf, der Wein wird kompakt, weich und unterstützt ganz fein. Eine sehr gelungene Kombination.

 

 

 

Kalbsleber mit Radicchiorisotto und Himbeeressig
Kalbsleber, Risottoreis, Radicchio. Himbeeressig, Schalotte, Olivenöl, Butter, (Teil Radicchio mit Essig und Traubenkernöl püriert und emulgiert)

 

 

 

Spätburgunder Thanisch2016 Spätburgunder, Weingut Thanisch, Mosel (Lieser)
Nase: Rauch, Süßkirsche, Nelke, Mandeln
Gaumen: leicht rauchiger würziger Auftakt, Süßkirsche, Nougat, Eukalyptus, sehr weich, sehr auskleidend
Nachhall: mittel, ausgewogen, etwas kühl

Pinot Noir Laibach & Seeger

 

2012 Pinot Noir, Laibach Vineyards, Stellenbosch
Nase: Cassis, Wacholder, Liebstöckel, Lorbeer, Lakritz, Pflaume, sehr kühl
Gaumen:  adstringent, dunkle rote Beeren, Teer, Lakritz, Graphit, Leder, sehr gerbig
Nachhall: schwarze Beeren (Brombeer, Pflaume, Cassis) weich und lang, gut balancierte Tannine

 

Auf diese Parallele habe ich mich besonders gefreut. Denn sie war eine Premiere.
Die gleiche Traubensorte aus zwei völlig unterschiedlichen gebieten, beides Gebiete, die nicht berühmt sind für Spätburgunder, sondern eher für andere Rebsorten.
Thanisch, recht jung, von der Mosel, im großen Holzfass vergoren, Laibach&Seeger bereits gereift und 16 Monate im barrique ausgebaut.
Die leicht rosinierte Art des Laibach Pinots irritierte manche Gäste zunächst.
Die kräftigen Fruchtaromen des Thanisch Burgunders gefallen sehr. Dieser Wein scheint der Favorit zu werden. Er ist solistisch gesehen, leichter zu trinken und er gefällt als Begleiter des Risottos sehr.

Dann kommt die Leber und wir erleben einen Höhepunkt. Leber und Laibach Pinot verschmilzen zu einem großartigen Geschmackserlebnis. Für mich ist das fast Glück.

 

 

Apfelstrudel mit Hagebuttenparfait
Äpfel (Topaz), Mehl, Butter, Öl, Briochebrösel, Rohrohrzucker, Zimt; Parfaitmasse aus Sahne, Ei, Zucker, Vanille und Hagebuttenmarmelade

 

Laibach Natural Sweet2016 Natural Sweet, Laibach Vineyards, Stellenbosch   
100% Chenin Blanc 7,5% Vol. Alk. / 128g/L Restzucker / 5,7g/L Säure
Brioche, reifer Apfel, etwas grasig, erstaunlich frische Säure

Ein frischer Abschluss, denn der Wein ist sowohl vom Restzuckergehalt weit unter deutschen Süßweinen und strahlt im Nachhall frische Säure aus. Er rundet Strudel und das sehr gute Parfait vortrefflich ab.

 

Tiramisu im Gläschen

Espresso

Auch diesmal hatte Annette Popig ihre Vibiemme (Siebträgermaschine) mitgebracht.
Sie liess es sich nicht nehmen, jeden Espresso einzeln zu brühen, weil die Crema dann perfekt ist. Das Tiramisu im Miniglas war ein aufwändiges Unikat und fast wie eine Praline.

Weinmenü Weinplanerin

 

 

 

 

 

 

Wie schön, dass unsere Abende stattfinden konnten.
Mit Abstand, viel frischer Luft, angeregten Gesprächen und natürlich perfekten Kombinationen von Speise & Wein.

 

Die Weinplanerin Weinplanerin

Weinladen Heidelberg

Besonders großen Dank an Petra Laibach und Rolf Kühner für die unerschrockene Überlassung des Ladens. Auch wenn viel ungeahnte Arbeit auf Euch zugekommen ist. Meinen größten Dank möchte ich Felix Kühner aussprechen für die wie immer sehr genau Übersetzung meiner Wünsche in seine Weine und für die tatkräftige Unterstützung in den Vorbereitungen und während der Abende.

 

Der meiste Dank gebührt allerdings unseren Gästen.

Speise & Wein

 

 

Die Köchin: Menue und Buffet
Der Weinhändler: Laibach & Seeger
Die Location: Vinothek Laibach & Seeger

 

Die WeinPlanerin. Wein und Speise. Korrespondierend oder Konträr.

 

4 Kommentare zu “Nachlese. Speise & Wein. Ein Versuch in neuen Zeiten.

  1. Da haben sich Juliane Gassert und Annette Popig in einem Jahr der Entbehrungen und unendlicher Probleme ein Denkmal gesetzt! Phantstisch, dass so etwas noch immer möglich ist.

    • Wir hatten doch viel Glück, dass unser timing mitgespielt hat.
      Es waren in der Tat ganz besondere Abende.

  2. Mein Kompliment an Juliane und Annette, die in diesen Zeiten einen solch tollen Event auf die Beine gestellt haben. Ich gehöre ja zu den genannten „Ersttätern“ die mit viel Neugierde diesen Abend erleben wollten. Bisher habe ich immer nur in Erzählungen davon gehört aber jetzt durfte ich es selbst erleben. Es ist faszinierend zu erfahren, wie ein bestimmter Wein zu einem bestimmten Gericht harmoniert, oder auch das „Aha Erlebnis“ zu haben, wenn sich der Wein mit der Speise verändert.
    Ich ziehe den Hut vor der Professionalität der beiden Akteure und hoffe, dass sich unsere Zeiten bald ändern und solche Events wieder selbstverständlich werden ohne die ganzen Sicherheitsvorkehrungen.

    • Schön, wenn die Abende nicht nur ein Genuß für unsere Gäste sind, sondern auch eine kulinarisch / sensorische Bereicherung.
      Danke für die schönen Worte.

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