Prosecco Masterclass mit Foodpairing
Frankfurt im September. Es ist ein gleißender Spätsommertag.
Mitten im Bankenviertel befindet sich das Hotel Kameha Suite, altes Gemäuer mit freistehendem Treppenhaus und dunkler moderner Einrichtung. Hier hat das Konsortium Prosecco DOC geladen zu einer Verkostung. Organisiert wie immer in perfekter entspannter Art durch die Agentur ff.k Public Relations.
Da durch Corona Maßnahmen die freie Verkostung in zwei Tranchen aufgeteilt werden musste, wurde das im Vorfeld kommuniziert und auch telefonisch noch einmal nachgefragt.
Sehr professionell gestaltet ebenfalls von Konsortium Prosecco DOC in Form von Karten zum Foodpairing an jedem Platz mit allen wichtigen Informationen und auch einem allgemeinen Flyer zu den wichtigsten Merkmalen der DOC. Die freie Verkostung war ebenfalls mit Karten zu den Weinen ausgestattet. Respekt den Machern und eine tolle Idee.
In einer moderierten Verkostung werden wir zunächst 10 Prosecchi in zweier Paaren (flights) mit jeweils einer Speise verkosten. Für mich, deren Hauptaugenmerk auf der Sensorik von Wein und Speise liegt, ist dies ein Event ganz nach meinem Geschmack.
Herzlich begrüßt von der Beauftragten des Konsortium Prosecco DOC, deren Geschäftszentrale im schönen Treviso ansässig ist, und nach einer kurzen Präsentation über Italiens Vielseitigkeit führt Konstantin Baum, Master of Wine seit 2015 zunächst in die Theorie rund um die DOC Prosecco.
Was ich als erstes lerne: der Plural von Prosecco heißt italienisch zwar Prosecchi, darf aber eingedeutscht auch Proseccos genannt werden. Das war mir neu.
Prosecco DOC. Italian Genio. Ein Überblick.
Das Gebiet der DOC erstreckt sich über die Weinanbaugebiete Veneto und Friuli-Venezia-Guilia.
Dort, in der Provinz Triest, liegt auch die Stadt Prosecco, welche Namensgeberin für den Schaumwein ist. Der Begriff pro-sec ist slawischen Ursprunges und bedeutet lediglich so viel wie „abgeholzte Erde“. Man vermutet, dass die Prosecco Traube, welche 2009 in den Namen Glera umbenannt wurde, um Irritationen bei der Klassifizierung zu vermeiden, aus Kroatien stammt.
Geschützt zwischen den Dolomiten im Norden und der Adria im Süden hat das Gebiet kühle, frische klimatische Bedingungen für die Entstehung der Schaumweine.
Man findet die Erwähnung der Prosecco Produktion bereits im 14. Jahrhundert, allerdings dauert es bis Ende des 19. Jahrhunderts, bis der Önologe Martinotti in seinem Institut in Asti an der Bewahrung von Kohlensäure im Schaumwein forschte. Mit diesem Grundstein entwickelte 1907 der französische Önologe Charmat den Drucktank, mithilfe dessen die Produktion des Proseccos vereinheitlicht werden konnte. Man nennt die zweite Gärung im Drucktank deshalb bis heute Charmat Verfahren.
Erst 1970 wird Prosecco eine IGT – dieser Schutz galt aber lediglich der Verwendung der damals noch Prosecco Traube genannten Rebsorte. Es gab keine Festlegung auf Gebiete, Herstellungsverfahren oder Ertragsbegrenzung. Dementsprechend groß war die Schwemme minderwertiger Prosecchi.
2009 wurde deshalb die IGT in eine DOC umbenannt. Und die Prosecco Traube erhielt den Namen Glera, um Anbaugebiet und Rebsorte zu unterschieden.
2012 wurde zusätzlich eine Banderole am Flaschenhals eingeführt, um den Produktionsweg nachvollziehbar zu machen. Und dem Verbraucher ein sichtbares Gütesiegel zu geben.
Neben Ertragsbegrenzung und Rebsorten Reinheit ist auch die Reberziehung vorgeschrieben.
Die 1. Gärung erfolgt im Stahltank, die 2. Gärung zwingend im Drucktank (Charmat).
Abfüllung unter Druck in die Flasche.
DOC Prosecco in Zahlen
85% Glera Traube sind vorgeschrieben
15% andere weiße Rebsorten –
darunter autochthone und internationale wie Pinot blanc, Pinot gris, Chardonnay
180 Tonnen pro Hektar maximaler Ertrag
24.450 Hektar Anbaufläche (das ist ungefähr die Pfalz)
11.102 Weinbauern
1.211 Weinproduzenten
348 Schaumweinhersteller
Die Produktion des Prosecco ist in den Jahren 2012 bis 2018 um das knapp 2,5 fache gestiegen.
Es wurde eine Erhöhung der Anbaufläche zugelassen und mehr Produzenten widmen sich heute der Schaumwein Herstellung. Das finde ich beachtlich.
Prosecco Spumante 82% der Produktion, mindestens 11% Vol und mindestens 3 bar Druck.
Prosecco Frizzante 17% der Produktion, mindestens 10,5% Vol und 1-2,5 bar Druck.
Dem Frizzante darf auch Kohlensäure zugesetzt werden.
22% Verkauf im eigenen Land
78% Export
Importmeister sind England, gefolgt von den U.S.A, an dritter Stelle Deutschland und, wer hätte das vermutet, an vierter Stelle Frankreich.
Neuheit Prosecco Rosé
Seit 2020 zugelassen ist die Herstellung von Prosecco Rosé.
Auf diesen dürfen wir uns dann ab Januar 2021 freuen.
Zur Herstellung wird neben der Glera Traube 10-15% Pinot Noir verwendet.
Der Rotwein wird getrennt ausgebaut und kommt in der zweiten Gärung zum Weißwein in den Tank.
Dort bleibt er mindestens 60 Tage.
Der Verkauf wird jeweils am 1. Januar nach dem Lese Jahr erlaubt.
Alle Prosecchi Rosé sind also Jahrgangs Prosecchi.
Man darf gespannt sein auf dieses neue Produkt.
Prosecco DOC und Foodpaairing
Wir haben das Glück, dass Konstantin Baum den Prosecco als Speisenbegleiter für sich entdeckt hat, nach eigenen Aussagen vor nicht allzu langer Zeit, und uns das nun nahebringen möchte. Das hat er in der Tat! Er scheint erheblichen Anteil an der Aufstellung der Speisen gehabt zu haben. Das entnehme ich der Tatsache, dass er für die Veranstaltung in Berlin am Tag zuvor zum letzten flight ein anderes Gericht wählte als in Frankfurt, denn es sollte an beiden Orten mit einem lokalen Gericht abgeschlossen werden.
Wie sehr das in Frankfurt gelungen war, werde ich am Beispiel noch erläutern.
Vitello Tonnato mit frischem Tuna, Kapern und Kräutern
Kalbfleischstreifen mit milder Thunfischsauce, dazu eine Scheibe kurz angebratenen Thunfischs, innen roh, frittierte Kräuter und frittierte Kapernbeere.
Prosecco DOC Treviso Brut „Il Fresco“
Villa Sandi
11% Vol., 12g/l Restzucker
Muskat, Haselnüsse, gelber Apfel, kräutrig in der Nase.
Am Gaumen Orangenceste, Honigmelone, breite Frucht mit frischer Säure.
Sehr präsente feine Perlage im Nachhall.
Sehr klassisch und sehr gut.
Prosecco DOC Brut „Argeo“
Ruggeri
11% Vol., 12g/l Restzucker
Grüner Apfel, etwas Birne, Honigmelone in der Nase.
Am Gaumen fleischig, ergänzt durch Orangenceste.
Mittlerer Nachhall mit feiner Frucht.
Die Mischung von zartem Fisch und Fleisch mit fetthaltiger Textur der Sauce begleiten die frischen Weine sehr gut. Der Tuna ist hervorzuheben in seiner Konsistenz. Die frittierten Kräuter bilden einen guten Kontrapunkt. Einzig die überaus köstliche frittierte salzige Kapernbeere zerstört die Kombination, das schaffen die Weine nicht.
Ricotta-Tortelloni mit grünem Spargel
Tortelloni mit einer Kräuter-Ricotta Füllung, in einem leichten Sahneschaum, grüner Spargel al dente.
Prosecco DOC Brut
Biancavigna
11,5% Vol., 10g/l Restzucker
Die Nase eröffnen gelber Apfel, reife Birne, Gartenkräuter.
Am Gaumen Schmelz und Blütenhonig, Tabak, hefig.
Rund und ausgewogen im Nachhall.
Ein wunderbarer Wein.
Prosecco DOC Extra Dry
Torresella
11% Vol., 13g/l Restzucker
Die Nase sehr mineralisch, nasser Stein, kühl.
Am Gaumen Kumquats, Bitterorange, sehr kräutrig, brauner Apfel.
Im Nachhall adstringent und frisch.
Dieser Wein ist sehr schwer zu verstehen.
Der Kontrast des Tortelloni zum Spargel war hervorragend. Das Schäumchen umrundet die Speise.
Zu Biancavigna ein sehr guter Begleiter durch die zwei unterschiedlichen Komponenten.
Der Torresella wird etwas breit durch die Pasta.
Mini – Wiener Schnitzel
Das Schnitzel klassisch vom Kalb mit einer sehr zarten Panade. Dazu Kartoffelsalat mit Essig, Öl , vermutlich Brühe mariniert und Senfkörnern.
Prosecco DOC Treviso Extra Dry
La Contesse – Organic
11% Vol., 16g/l Restzucker
Quitte, reifer Apfel, Heu, Orange in opulenter Nase.
Am Gaumen zunächst etwas brausig, gefolgt von Nüssen, Quitte, Apfel.
Präsente Perlage. Sehr ausgewogen.
Sehr schöner Wein.
Prosecco DOC Extra Dry Organic „Alberto Nani“
Enoitalia
11% Vol., 14g/l Restzucker
Flieder, Orange, Quitte in der Nase.
Die Aromen setzten sich am Gaumen fort, ergänzt durch eine dunkle nussige Variante.
Kräftige Adstringenz im Nachhall.
Dieser Wein braucht Speise.
Der Panade des Schnitzels fehlte ein wenig die Würze. Aber seine Zartheit war außerordentlich.
Der Kartoffelsalat sehr fein, die Senfkörner scheiden hier die Geister.
Der Alberto Nani, welcher mich beim Verkosten nicht so angesprochen hatte, gewinnt mit dem Kartoffelsalat. Die Säure der Senfkörner macht den Wein lebendig.
Der La Contesse verliert beim Kartoffelsalat, denn er ist zu fein in seiner Textur.
Das Schnitzel hingegen pairt beide Weine gut.
Lachs mit brauner Butter, Kaviar und Kartoffelknusper
Lachstatar, montiert mit brauner Butter. Als topping eine milde Mayonnaise und Forellenkaviar.
Die Kartoffelknusper war ein Scheibchen Rösti.
Prosecco DOC Treviso Extra Dry „Silky“
Cantine Collalto
11% Vol., 15g/l Restzucker
Die Nase grasig, mineralisch, versetzt mit reifer Birne.
Am Gaumen viel Schmelz, ausladend.
Langer Nachhall mit viel Frucht und samtiger Perlage.
Prosecco Extra Dry Organic
Savian Vini
11% Vol., 16g/l Restzucker
In der Nase reifer Apfel, kräutrig, etwas Rauch.
Am Gaumen sehr zitrisch, breite Kohlensäure, abgelöst von reifer Birne.
Sehr lang und cremig und dennoch frisch.
Ein schöner Wein.
Das war ein perfektes Pairing!
Dieses Gericht begleitet beide Weine aufs Vorzüglichste und ist an sich schon ein Gedicht.
Der Lachs wird durch die Butter sehr kompakt, ist einfach vorzüglich. Beim Forellenkaviar dominiert die salzige Note, doch diese wird sehr gut durch das Rösti und die Mayonnaise aufgefangen. In jeder Kombination schaffen es die schmelzigen Weine, dieses Gericht zu begleiten.
Ein Hochgenuss.
Handkäs mit Musik
Für alle Nicht Frankfurter sei dieses Gericht kurz erklärt: es ist Harzer Käse, in Essig und Öl eingelegt mit Zwiebeln, Schnittlauch, in unserem Falle ohne Kümmel, dazu gab es Vollkornbrot.
Der Käse hatte eine sehr cremige Konsistenz war an sich sehr mild, Zwiebeln und Marinade mit wenig Essig bildeten dazu einen guten Kontrast.
Kleine Anekdote am Rande: fast alle im Saal waren Zugereiste, das aber schon viele Jahre und eher Handkäs Feinde. Einhellige Meinung und Lob an die Küche der Kameha Suite: so gut hatte Handkäs bislang niemand gegessen. Auch ich hatte meine erste Begegnung mit Handkäs nach beinahe zwei Jahren in dieser Stadt.
Prosecco DOC Frizzante Rifermentato in bottiglia „Col Fondo“
Colli de Soglio
11% Vol., 0g/l Restzucker
Die Besonderheit dieses Weines war, dass er ein Frizzante ist, der seine zweite Gärung in der Flasche erlebt hat. So hat er nun ein Depot, was sich im Glas auch als Trübung bemerkbar macht.
Hefige Nase, würzig, nasse Wolle.
Am Gaumen sehr mineralisch, sehr frisch, Noten von Tabak und weißem Pfeffer.
Gute balancierter Nachhall mit feiner Perlage.
Prosecco DOC Spumante Millesimato Dry
La Jara
11,5% Vol., 25g/l Restzucker
In der Nase Mineral, weißer Pfeffer, gelber Apfel.
Am Gaumen zitrisch, breiter Schmelz von Birne und Apfel, leicht würzig.
Der Nachhall würzig und sehr ausgewogen.
Für mich ein Grund, Konstantin Baum öffentlich zu danken.
Der La Jara, ist ein perfekter Begleiter zu diesem Gericht, er schafft die Zwiebel spielend.
Col Fondo hingegen mit seiner hefigen Frische und Mineralik ist ein gelungenes Experiment.
Der Wein wird durch die Textur des Käses fruchtiger. Das ganze Gericht hingegen wird kühl.
Prosecco DOC und Foodpairing
Sehr gelungen die Auswahl der Schaumweine und auch der Gerichte.
Sehr fein interpretiert und ausgeführt von der Küche der Location.
Hervorragend kommentiert und in einer sehr interessierten Runde interaktiv bewertet.
Ein Hochgenuss für die Verbindung von Wein und Speise.
Freie Verkostung
Es blieb noch eine Stunde für die freie Verkostung, was nicht ausreichend war, sich über die 30 weiteren Prosecchi einen Überblick zu verschaffen.
Doch eine weitere Interessenten Gruppe durfte Corona like erst kommen, als wir gingen, dafür habe ich Verständnis.
Nach den sehr schönen vorgestellten Schaumweinen und dem sensorisch vielseitigen Foodpairing wäre die gebotene Auswahl sowieso kaum zu schaffen gewesen.
Hier sind noch einige Perlen.
Prosecco DOC Brut Organic Vegan
La Jara
11,5% Vol. , 7g/l Restzucker
Sehr hefig, zitrisch, viel reifer Apfel, Brioche, weißer Pfeffer, Birne, viel Schmelz.
Sehr eigen.
Prosecco DOC Extra Dry Organic
La Jara
11,5% Vol., 14g/l Restzucker
Grüner Apfel, Birne, etwas brausig, lang mit viel Schmelz und Blütenhonig.
Sehr schön.
Prosecco DOC Brut „075 Carati“ , Brut, Millesimato 2019
Piera 1899
11% Vol., 11g/l Restzucker
Klassisch mit Apfel, Birne, Schmelz am Gaumen, kräftiger Frucht.
Im Nachhall lang mit leichten Noten von Meersalz.
Prosecco DOC Extra Dry „Etichetta Negra“
Valdo
11% Vol., 15g/l Restzucker
Blumenwiese, Heu, reifer Apfel, reife Birne.
Viel Schmelz und Lack. Lang und ausgewogen.
Braucht Speisen mit Sahne oder Butter.
Prosecco DOC Brut „Tenuta La Maredana“
Valdo
11% Vol., 11g/l Restzucker
Nussig, Quitte, weißer Pfeffer, Blütenhonig. Zitrisch, große Frische, Mineral.
Lang und aromatisch mit kräftiger Perlage.
Ausnahmewein.
Prosecco DOC. Italian Genio.
Alle Weine sind laut Aussagen der Veranstalter in einer Preisspanne um die 10€ zu finden.
Ich danke der Prosecco DOC für diese eindrückliche und genussreiche Veranstaltung.
Ebenso der Agentur ff.k Public Relations GmbH für die Einladung und die sehr gute Organisation.
Und ein Dank ebenso an die Mitarbeiter und Köche der Kameha Suite in Frankfurt für die professionelle Umsetzung und die vorzüglichen Gerichte.
Die WeinPlanerin. Wein und Speise. Korrespondierend oder Konträr.
Die Welt des Prosecco oder Schaumweins mit Foodpairing in Zeiten einer tödlichen Pandemie zu genießen, ist eine Kunst, die viel Sinn für das Surreale fordert. Wer sich der hochentwickelten Atmosphäre von Sektkorkenknall zu Weltuntergang hinzugeben bereit ist, ist bei Juliane Gassert und ihrer hochentwickelten Sensorik in rechten Händen! Corona zum Trotz, mit gebotenem Abstand und leichtem Gruseln warten wir auf Zeiten, wo sich alles zum guten Ende wendet!
Es ist ein Versuch, zur Normalität zurück zu kehren….