Burgunder Weingut in Rheinhessen
Die Familie Braunewell
Einer der schönsten Gründe, auf ein Weingut zu fahren, ist die Anreise. Langsam werden Straßen immer kleiner. Die Dichte der Weinberge nimmt zu. An einem sonnig kalten Tag im Mai strahlt mich das Grün der noch jungen Triebe an.
Der wichtigste Grund, auf ein Weingut zu fahren, ist natürlich der Wein. Man kann probieren, die Menschen hinter dem Produkt kennen lernen und dann mit vielen Schätzen zufrieden von dannen ziehen.
Mein Grund, auf ein Weingut zu fahren, hat noch einen anderen Aspekt. Ich will die Philosophie der Weinmacher ergründen. Und ihre Geschichte(n) weitergeben.
In Rheinhessens Norden im kleinen Essenheim liegt das stetig wachsende Gut der Familie Braunewell.
Womit wir schon mitten im Thema sind. Hier arbeitet ein Familienverbund mit vier Generationen erfolgreich zusammen. Mit großen Ambitionen und ebensolcher Präzision.
Ich kenne Christian Braunewell schon lange. Unsere Begegnung liegt viele Jahre zurück. Damals war er am Ende seiner Ausbildung auf dem Weg zum Studium nach Geisenheim. Beeindruckt hat mich sein enormes Wissen und die Lust, dieses weiterzugeben. Heute empfängt er mich als jüngster von drei Betriebsleitern auf dem familieneigenen Gut.
Die Geschichte des Gutes ist die Geschichte einer Familie mit Traditionsbewußtsein bei offenen Sinnen für Modernisierung und Nachhaltigkeit. Und die Geschichte von produktivem Miteinander in der Generationen übergreifenden Zusammenarbeit.
Triumvirat
Das Weingut ist schon lange kein Geheimtipp mehr.
Denn sie werden regelmäßig prämiert.
In der Presse ist dann stets von den Brüdern Braunewell zu lesen.
Dabei leben vier Generationen im Weingut und es wird geleitet von einem Triumvirat.
Das finde ich sehr außergewöhnlich.
Und Christian Braunewell, der immer noch gerne Wissen und Einblicke weiter gibt, wird mich heute lehren, wie dieses Triumvirat aufs Vortrefflichste funktioniert.
Doch schweifen wir für einen kurzen Moment in die Geschichte der Familie.
1655 kommt Urahn Francois in den Wirren der Hugenottenverfolgung nach Essenheim. Er baut sich eine neue Existenz in Landwirtschaft und Weinbau auf. In der zweiten Generation findet sich urkundlich die eingedeutsche Version des Hugenottennamens. Familiensitz ist und bleibt die Gemeinde Essenheim.
Doch erst Großvater Adam beginnt in den 1960er Jahren, den ersten Wein in Flaschen abzufüllen.
Er ist es auch, der 1971 das Weingut aus dem Ort an den Römerberg nahe der Weinberge hinaus siedelt.
1982, im Geburtsjahr von Sohn Stefan, steigt Vater Axel mit Ehefrau Ursula in den Betrieb ein.
Das ist auch das Jahr der Grundsteinlegung für die Sektherstellung.
1986 erblickt Sohn Christian das Licht der Welt.
1990 baut Axel Braunewell unter seinem Weingut einen großen Keller, der schnell zu eng geworden ist.
2007 verändert sich das Gut erneut. Diesmal baut Axel, nun schon zusammen mit Sohn Stefan, eine neue moderne große Halle.
2012 steigt auch Christian als dritter Gesellschafter in den Betrieb ein.
2018 wird das Jahr einer neuen großen Veränderung im Weingut sein.
Alle drei Braunewells sind ausgebildete Winzer mit anschließendem Önologie Studium in Geisenheim.
Stefan, der bei den Gütern Rebholz und Messmer gelernt hat, war später drei Monate im Bordeaux. Christian, der sich die Güter Wittmann und Knipser ausgesucht hatte, um ökologisches Arbeiten und Rotweinherstellung auf Topniveau zu lernen, macht Praktika in Neuseeland, Österreich, Burgund.
Die Brüder arbeiten schon während ihrer Ausbildungen im elterlichen Betrieb mit. Sie beschließen und beraten Neupflanzungen, Änderungen. Immer in Rücksprache mit Axel, der offen für die Modernisierungsvorschläge seiner Söhne ist.
„Vieles, was wir heute haben, musste von langer Hand geplant werden“, sagt Christian.
Sie suchen und kaufen zum Beispiel große alte Holzfässer, um hier einen Teil der Weißweine und die Basis Rotweine zu lagern. Diese Fässer sollen den Wein lediglich atmen lassen, es gibt nichts mehr, was hier vom Holz in den Wein abgegeben werden könnte.
Im Keller liegen jeweils zwei Jahrgänge aller Rotweine. Die erst im Folgejahr auf die Flasche kommen. Das ist das gelebte Erbe der Eltern. Sie haben dieselbe Vision und leben in ihrem eigenen Gleichklang.
Das macht wohl das funktionierende Geheimnis dieses Dreigestirns aus.
Mit Eintritt der Brüder konnte die Mutter entlastet werden, die sich um Vertrieb und Verkauf gekümmert hatte, aber auch die Erntehelfer und Mitarbeiter täglich bekocht. Das sind dann 8 bis 20 Mann pro Tag.
Das Triumvirat hat sich die Arbeit aufgeteilt, auch wenn jeder gerne alles machen würde, doch das funktioniert bei ihrer Größe nicht.
So obliegt die Weinbergs Arbeit Axel mit drei Helfern, die mehrmals im Jahr aus Polen kommen.
Kleines Detail am Rande. Die Helfer kommen alle aus der gleichen Gemeinde. Und geben die Arbeit generationsübergreifend weiter.
Stefan widmet sich dem Vertrieb und dem Marketing, welches in den letzten Jahren extrem angewachsen ist.
Man merkt, dass er sehr rührig in dieser Angelegenheit ist.
Die Beteiligung in vielen Netzwerken und eine absolut aktuelle homepage sind hier nur kleine Zeichen.
Christian nun ist Herr des Kellers. Er lässt den Weinen Zeit und hat doch sehr genaue Kenntnis von allen Tranchen, die hier in den Fässern schlummern.
Die Cuvées entscheiden dann aber alle drei gemeinsam
Ebenso, wann es ein Wein- und wann ein Sekt Jahr geben wird.
Wachstum
Wir beginnen unseren Rundgang auf dem Hof des Weingutes.
Von der offenen Seite zwischen Vinothek und Halle eröffnet sich ein herrlicher Blick auf einen Weinberg.
„Hier“, sagt Christian, „wird nächstes Jahr unsere neue Vinothek stehen.“
Mit kleiner Küche für Weinmenüs und einem Rebsorten Garten zur Veranschaulichung der unterschiedlichen Reben für die Kunden.
Hier ist er wieder. Der Wunsch, andere am Wissen teilhaben zu lassen.
Die Vinothek wird sozusagen das i-Tüpfelchen auf einen großen Neubau sein.
Mit erweitertem Rotweinkeller und einer neuen Halle.
Wenn alles gut geht, stehen wir 2018 dann in neuen Räumen.
Im Umbauen haben sie ja schon Erfahrung.
Es scheint in den Genen der Familie Braunewell zu liegen.
Beim Betreten der ersten Halle fällt die Größe auf. Aber man merkt bereits, dass Platz fehlt, denn irgendwo steht immer etwas, das eigentlich woanders hin gehörte.
Die erste Halle ist ihr Allzweckraum. Hier stehen Maischetaucher Tanks. Eine segensreiche Erfindung für alle Winzer. Diese Taucher übernehmen Zeit- und Intervall gesteuert in abgeschlossenem Tank das tägliche Untertauchen der Maische, sodass der Winzer sich auf die vielen anderen Aufgaben während der Lese konzentrieren kann.
Wir finden hier auch zwei große Pressen und eine Etikettier Maschine.
Die Braunewells machen fast alles selbst. Nur eine Füllanlage haben sie nicht.
Die zweite Halle wird künftig nur noch für die etikettierten und verpackten Weine sein.
Christian freut sich schon auf diesen Umzug. Vorerst lagern hier die Sekte im Rüttelpult, gefüllte nicht verpackte Weine, die etikettierten Weine, ebenso etwas verstreut das Raritätenlager und einige Barriques.
Es ist unglaublich, dass solch eine Größe zu klein sein kann.
Wir reden hier von einem mittelgroßen Betrieb. 22ha haben sie inzwischen. 200.000 Flaschen füllen sie im Jahr. Sie wollen noch bis 25ha wachsen. Das ernährt dann alle Parteien redlich und ist für das Dreigestirn noch persönlich machbar. Denn ein Familienbetrieb wollen sie in jedem Falle bleiben.
Man sieht, was Christian stellvertretend für alle drei Braunewells immer wieder anführt.
Das Gut ist langsam und kontinuierlich gewachsen. „Organisches Wachstum“ nennt er das.
Schon der Vater hatte sich vergrößert und durch die Sektherstellung ist ja auch Platzbedarf gewachsen.
Sie haben Stück für Stück Reben dazu genommen. Und begonnen, mehr Weine in Flaschen abzufüllen.
Christian glaubt, dass ein Betrieb eine gewisse Größe braucht, um Reserven zu haben.
Und damit man es sich leisten kann, die Weine zwei Jahre reifen zu lassen, bevor sie in den Verkauf gehen.
Aber auch verschiedene Lagen und Klone vonnöten sind, um eine Auswahl in die Fässer zu bringen, die es ihm dann ermöglicht, einen eigenen Stil zu etablieren.
Die Balance zwischen dem organischen Wachstum und einer leistbaren Größe zu wahren,
ist ihnen Herzensangelegenheit.
Philosophie
Die Vision der Braunewells ist klar.
Sie wollen Weine machen von Qualität auf hohem Niveau.
Und das konstant Jahr für Jahr gleich.
Sie wollen Jahrgang und Identität der Rebsorten in die Flasche bringen.
Sie wollen auch ihre Region in der Flasche abbilden.
Das kühle nördliche Rheinhessen, welches dem Riesling, den Burgundersorten Spät- und Grauburgunder zugutekommt. Und auch der internationalen Rebsorte Merlot, für die Christian Braunewell gern eine Lanze bricht, auch wenn er hierzulande noch allzu oft auf eine ablehnende Haltung trifft.
Stefan Braunewell hatte die Idee, St. Laurent zu pflanzen, welcher 2011 bei ihrer ersten Teilnahme am Deutschen Rotweinpreis mit dem 2009er Jahrgang den ersten Platz belegte in der Kategorie „Klassische Deutsche Rebsorten“. Im Jahr 2016 brachte es der 2011er Francois Merlot „R“ auf Platz drei in der Kategorie „Internationale Rebsorten“. Der Spätburgunder war bislang immer unter den ersten zehn Plätzen. Bislang fehlte für das Treppchen in der Königsdisziplin noch das letzte Quentchen Glück.
Die Kunst, diese Identität zu wahren und sich auch gegen andere Regionen abzugrenzen, das ist ihr Anliegen. Sie nennen sich selbst „Weinhandwerker“.
Die wachsende Aufmerksamkeit in den einschlägigen Weinführern bestätigt ihren Weg.
Seit 2010 im Gault Millaut stetig im Halbe Trauben Schritt bis zur dritten Traube (von fünf) gestiegen.
Im Eichelmann Führer kürte man sie im Herbst 2016 sogar mit vier (von fünf) Sternen.
Bei der AWS Vienna, dem größten offiziellen Weinwettbewerb der Welt, gewannen sie 2014 mit dem 2012er Teufelspfad die Spätburgunder Trophy.
Sektgut
Da die Braunewells fast alles selbst machen, tun sie das auch bei ihrem Sekt.
Die größte Entscheidung besteht im Sommer darin, festzulegen, ob es ein Sekt oder ein Burgunder Jahr wird. 2008, 2010 und 2013 waren gute Sektjahrgänge. 2015 und 2016 gab es nur den Riesling Basis Sekt.
Wenn sie entschieden haben, dass es ein Sektjahr wird, dann werden die Lagen, welche für den Sekt vorgesehen sind, nicht entblättert. Streng nach dem Vorbild der Kollegen in der Champagne, mit denen sie ein reger Austausch über eine befreundetes Familienweingut verbindet.
Sie beginnen die Ernte der großen Trauben recht früh, um Säure zu ernten, aber weniger Tannine.
Beim Ernten wird dann auch entblättert, um so in einem zweiten späteren Durchgang den Rest der Trauben für die Lagenweine zu ernten.
Es gibt die Basislinie mit Riesling brut, Pinot brut und Spätburgunder Rosé brut.
Dann die Premium Linie mit Francois Blanc de Blanc brut nature, dieser ist reinsortig aus Chardonnay Trauben. Und Francois Pinot Prestige brut nature, dieser wird hergestellt aus Spätburgunder und seinem heimischen weißen Gegenpart, dem Grauburgunder.
Die Premium Sekte werden aus alten Reben aus der Lage Teufelspfad geerntet. Beim Grauburgunder sind sie 45 Jahre alt, der Chardonnay, erst seit 1993 zur Sektherstellung zugelassen, stammt aus einer der ältesten Chardonnay Parzellen in Rheinhessen. Die Parzelle des Spätburgunders weist ein fast junges Alter von 25 Jahren auf.
Die Weine werden mindestens 2 Jahre ausgebaut. Den Weinen für die Premium Sekte lässt man sogar 4-5 Jahre Zeit. Christian will erstmalig eine Reserve der Premiumlinie aus 2013 noch länger auf der Hefe lagern und dann erst voraussichtlich 2020 in Verkauf bringen.
Ein Projekt, auf das man jetzt schon gespannt sein kann.
Sie füllen, rütteln und lassen reifen. Sie bestimmen den optimalen Zeitpunkt und die Dosage zum degorgieren. Nur das eigentliche Enthefen geschieht extern. In der großen Halle ist gerade der Spätburgunder Rosé auf die Flasche gekommen und man sieht, dass die Hefe sich noch nicht sehr abgesetzt hat.
Das Rütteln übernehmen Sie aus einem alten Fachbuch ganz genau.
Und jeder, vom Azubi bis zum Seniorchef, beteiligt sich daran.
Das Ergebnis lässt sich sehen. Der Francois Pinot Prestige brut nature wurde 2010 in einer großen Verkostung des Magazins Focus als bester Sekt Deutschlands ausgezeichnet. Und liegt in einem klassischen Bereich für deutsche Winzersekte.
Wie schmeckt also soviel Aufwand und Mühe dann in der Flasche?
2013 Francois Pinot Prestige brut nature
36 Monate Hefelager, 09/2016 degorgiert
€ 18,00
Hefige Nase mit Walnüssen, reifem Apfel, Kräutergarten, gerösteter Weißbrotrinde, Hauch von saftiger Orange.
Am Gaumen ein Auftakt von Zitrusnoten, gefolgt von cremiger Perlage, Nüssen, Orangenschale, Apfel, abgerundet von frischer Säure.
Im Nachhall lang, auskleidend, cremig mit nussigem Orangenfinish. Sehr klar, sehr frisch. Leicht in seiner Textur und doch kein Leichtgewicht.
Die Frische verbunden mit der Cremigkeit macht diesen Sekt besonders.
Guter Apero. Ebenso passend zu Blätterteiggebäck; Pochierten Jakobsmuscheln mit Safranschaum; Speckquiche; Foccacia mit Lachstatar und Sesam; Tomatenmousse mit Parmesan.
Burgunderweingut. Weiss.
Setzen wir unseren Rundgang fort. Zunächst landen wir im Weißweinkeller. Alles blitzblank. Aber großenteils blicken mich leere Tanks an. Das meiste ist schon gefüllt. Einzig an der Stirnseite des Kellers sind die großen Holzfässer, von denen eingangs schon die Rede war. Christian deutet auf ein Fass, an dem deutlich die Jahreszahl und das Wappen des Eichmeisters und die Literangabe zu sehen ist.
Hier schlummert noch der Riesling Teufelspfad.
Und ein Rosé aus dem Braunewell-Dinter Projekt, welches vorzustellen einen eigenen Artikel brauchte.
Ein Joint Venture von Stefan und Christian mit dem Weinliebhaber und Energievertriebsexperten Frank Dinter. Die Trauben stammen aus den eigenen Weinbergen, die speziell für diese Rosés selektiert und im Holzfass ausgebaut werden mit dem Ziel, hochwertige Weine und elegante Speisengeleiter zu gestalten.
Die Scholle, auf der sie arbeiten, ist ihnen wichtig.
Und die Konzentrierung auf die Burgundersorten und den Riesling.
Untypisch für ein Weingut in Rheinhessen, bemerke ich.
„Ja“, erwidert Christian, „aber die Burgundersorten finden hier den perfekten Boden.“
Warum die Burgundersorten? Er sieht sie als Stärke für seine Böden und die Region. Spätburgunder als die Königin der Rotweintrauben, in Baden, Pfalz und eben Rheinhessen gerne zur Höchstform gebracht.
Grauburgunder als der weiße heimische Gegenpart.
Von dem der Riesling sich in voller Stärke distanzieren kann.
Und auch hier steht er mit seinem Bruder ganz in der Familientradition, denn Großvater und Vater haben sich schon auf diese Rebsorten fokussiert.
Der Riesling wird teils im Stahltank, teils im großen Holzfass ausgebaut.
Die Grauburgunder liegen bis zu einem dreiviertel Jahr im großen Holz und werden dann im Gärtank schwefelarm und ohne Filtration für die Füllung verschnitten.
Die Lagen des Selztals sind am oberen windigen kühleren Kopf von Kalksteinböden und Muschelkalk durchzogen. Der ideale Boden für Riesling.
Im mittleren Hang findet sich der etwas schwerere Kalkmergel, der in der Lage Teufelspfad für Spät- und Grauburgunder beste Bedingungen schafft.
Im unteren Teil des Hanges findet sich Schwemmland, das nur für einfache Weine taugt.
Zwischenzeitlich machten die Brüder mal einen Ausflug zu anderen Rebsorten wie Silvaner und Scheurebe, doch das wird bald Geschichte für sie sein.
Verkosten wir zunächst den Gutswein
2015 Riesling trocken
€ 7,65
Reifer Pfirsich und Aprikose in der Nase, kräftiges Mineral.
Am Gaumen beginnend mit etwas Schmelz, gefolgt von Aprikose, Zitrusnoten, etwas Rauch.
Filigran im Nachhall mit zarter lebendiger Säure.
Ein guter Allrounder. Aber auch zu mildem Käse oder Flammkuchen passend.
2016 Grauburgunder trocken
€ 7,65
Leicht moussierend im Glas.
In der Nase Aromen von Muskat, Birne, Schale von Honigmelone.
Am Gaumen setzt sich das Aromenspiel fort mit viel Schmelz, Birne, Litschi, Honigmelone, Muskat.
Im mittellangen Nachhall prägende Frucht und weiche präsente Säure.
Ein guter Speisenbegleiter zu gebratenem Fisch mit Rote Bete Salat; Käsesouffle und karamelisierte Schalotten; Spargel mit Sc. Bearnaise; Brioche mit Basilikumbutter.
Und aus den Lagenweinen
2015 Teufelspfad Grauer Burgunder trocken
€ 18,50
Goldgelbe Farbe.
Muskat, reife Birne, Akazienhonig, Tabak, Mango, frisch gebrochene Zweige und helles Karamell eröffnen die Nase. Am Gaumen Auftakt von würzigen Aromen, gefolgt von leichtem Mineral, abgelöst von präsenter sehr feingliedriger Säure, Spitzen von Mango, Orangenschale, Akazienhonig.
Der Wein braucht Luft.
Er ist unendlich lang, kräftig, dabei fast schwebend.
Gute Balance zwischen Frucht und Säurestruktur.
Fast kühl und majestätisch. Das Finish breitet sich aus mit reifen gelben Früchten, Toast und Karamell.
Meine Begeisterung setzt sich fort in dem Erfindungsreichtum der Speisenbegleitung.
Steinbutt in Specksoße mit Rösti; Raclette mit La Ratte in Pfeffer und Butter geschwenkt; Perlhuhn-Spinatroulade mit Pilzragout und Polenta; Paillard vom Kalb mit Oliven, Tomaten und Selleriepüree; Vorspeisenvariation mit Schafskäse in Cornflakes paniert, Pilzstrudel, Wildpastete.
Burgunderweingut. Rot.
Im Rotweinkeller kann ich mich von der Sorgfalt und dem Aufwand, den Christian Braunewell betreibt, nun gleich persönlich überzeugen.
Auch hier große alte Fässer, die nicht mehr toastig sind, für die Aufbewahrung der Basisweine.
Und dann gehen wir zu den vielen Barriques. Sie haben alle unterschiedliche Alter und nur Christian weiß, warum er wann was in welches Fass gibt. Er mischt die Tranchen in neueren und älteren Fässern.
Und dann kann er warten. Er weiß genau, wie sich die Tranchen im Vorjahr entwickelt haben. Ohne in irgendeinem Kellerbuch nachzusehen. Das hat er alles in seinem Kopf. Als einzige Gedächtnishilfe notiert er die Vorjahresbelegung auf das Fass.
Das Weingut produziert 60% Weißwein und 40% Rotwein.
Christians Anliegen ist es, den deutschen Rotwein mehr aus seiner noch immer verrufenen Nische zu holen.
Er will mit seinen Spätburgundern zeigen, dass nicht nur das Burgund diesen Wein hervorragend ausbauen kann. Und auch wenn die Weine ihren Preis haben, liegen sie doch immer noch auf der Hälfte der französischen Kollegen.
Wir nehmen ein paar Fassproben. Das wird eine schöne Reise.
Zunächst der 2016 Spätburgunder Kalkmergel. Gelagert in unterschiedlich alten Fässern aus französischer Eiche.
Fass Eins: Sauerkirsche, Pfeffer, sehr adstringent.
Fass Zwei: Pflaume, etwas würzig, Lakritz, sehr weich.
Nun der 2016 Spätburgunder Teufelspfad.
Sehr gerbig, Noten von Pflaume und Cassis, etwas tintig.
Dagegen 2016 Spätburgunder Blume.
Anfangs sehr grün, mit Luft öffnet er sich, sehr filigran und elegant.
All diese Weine werden mehrmals schonend umgefüllt, um sie vom Trub zu befreien. So kann Christian auf das Filtrieren verzichten, was ihm ein großes Anliegen ist. Nach ihrer zweijährigen Reifezeit entscheidet das Dreigestirn über den Verschnitt der einzelnen Tranchen.
Das ist viel Aufwand und eine besondere Beachtung des Weines.
Das Ergebnis gibt den Braunewells in allem Recht.
Verkosten wir zwei Lagenweine
2012 Francois St.Laurent trocken
€ 22,50
In der Nase Rauch, Teer, Espresso, Jod, Cassis.
Am Gaumen eröffnen Fruchtaromen von Cassis, Veilchen, Holunder, abgelöst durch feste Tannine verbunden mit leichter Säure, etwas Jod und Kaffeepulver.
Im langen Nachhall und mit viel Luft ein gerbiges aromenreiches Finish.
Der Wein braucht Röstaromen in der Speisenbegleitung. Gut zu Surf&Turf vom Rinderfilet mit gebratener Garnele, Schokoladensauce, Pastinakenpüree; Medaillons vom Hirsch mit eingelegten Perlzwiebeln, Brokkoliflan; Gegrilltes Rindersteak, Rosmarinkartoffeln, Trüffelschaum.
2013 Blume Spätburgunder trocken
€ 22,50
Üppige Nase von Kirschen, Flieder, Marzipan, abgebrochene Äste, etwas Veilchen, Petrol.
Am Gaumen zunächst lange weiche Fruchtaromen von Schattenmorelle, Pflaume, Veilchen.
Abgelöst von filigraner Säure verbunden mit Wildkräutern und leichter Gerbigkeit.
Im Nachhall sehr lang und sehr weich. Kühl und elegant.
Hier braucht es Speisen wie Geschnetzeltes Zürcher Art mit Spätzle und Estragonschmand; Gebratene Kalbsmedaillons mit getrüffelten Bandnudeln; Schweinefilet mit Rotweinjus, Rahmwirsing und Rösti.
Orange
Bei meinem ersten Besuch im Herbst hatte ich das Vergnügen, den frisch gefüllten Orange Grauburgunder zu verkosten. In der Nase Hopfen, etwas Erde, am Gaumen toastig mit schönem Schmelz und frischer Orangenschale, langes weiches Finish. Ich war erstaunt, das Orange so süffig sein kann.
Ich wiederhole mich, wenn ich jetzt sage, die Braunewells machen alles und das auch noch selbst.
Hier führt Christian eine Einschränkung an. Sie machen keine Süßweine oder eher nur in den seltensten Jahren. Alles machen schafft auch das gut organisierte Dreigestirn nicht.
Warum aber Orange fragt meine Skepsis. Machen sie nicht schon genug?
Hier sind Weinhandwerker zugange. Brauchen sie diese Moden?
Christian schmunzelt.
„Wir haben schon 2009 Orange gemacht, ohne dass es den Begriff Orange gab.“
Sie haben Sauvignon blanc aus hochreifem Lesegut einer offenen Maischegärung unterzogen.
Um den Wein von seinem Alkoholgehalt abzusenken und mehr Struktur herauszuarbeiten.
Für sie war es damals ein Stilmittel, ein Moasikbaustein. Wie vieles, das sie ausprobieren.
Sie haben es 2012 wiederholt.
2013 haben sie es dann mit Grauburgunder ausprobiert. Und der Burgunder präsentierte eine gute Struktur.
Trotz meiner Skepsis bestätigt Christian, dass die Weine bei Luftzufuhr nicht zerfallen.
Und das auf viele Tage. Für ihn ist das ein Zeichen der Langlebigkeit.
Alltag und Vertrieb
Das Weingut beschäftigt einen festen Sommelier im Verkauf. Darüber hinaus haben sie zwei Auszubildende.
Und einige Essenheimer, die vom Abitur bis übers Studium hinaus regelmäßige Helfer sind.
Nicht zu vergessen die regelmäßig wiederkehrenden Weinbergshelfer über die schon geschrieben ist.
Christian und Stefan sind Mitbegründer des Mainzer Weinsalon, heute ein After Work Club, entstanden aus dem Wunsch, den Mainzern als Hauptstadt Rheinhessens ihren Wein nahe zu bringen. Dieses Anliegen ist ihnen geglückt. Auch die örtliche Gastronomie hat nachjustiert.
Noch immer ist es Christian ein Anliegen, sein Wissen und seine Philosophie an seine Mitarbeiter und Auszubildenden weiter zu geben. So wie er damals vom Wissen seiner Lehrer profitieren konnte.
Bemerkenswert ist auch beim Vertrieb die lange Tradition gemischt mit jungem frischem Ansatz.
Noch immer finden 50% des Verkaufes direkt ab Hof statt. Darüber hinaus sind die Braunewells mit ihren Spätburgundern in England, Spanien, Skandinavien sehr gefragt. Dafür gibt es einen Importeur, der 10% des Verkaufs bestreitet. 20% Fachhandel, 15% lokale Gastronomie, darunter drei Sternehäuser.
Sie freuen sich über diese Entwicklung. Aber still stehen werden sie nicht.
Wünschen wir dem Triumvirat in Weinberg und Keller weiterhin maximale Erfolge.
Braunewell. Burgunder Weingut mit Reifepotential.
Hier ist die Auswahl der verkosteten Ortsweine
2016 Essenheim Riesling Kalkstein trocken
€ 11,50
Weiße Blüten eröffnen die Nase, getrocknete Aprikose, Limettenschale, Majoran, frisches Heu. Am Gaumen frischer stahliger Auftakt gefolgt von leicht schmelzigen Aromen, viel Mineral, etwas grüner Apfel und Aprikose.
Im mittellangen Nachhall sehr rassig. Dies ist ein Wein für Fans der Rieslingsäure.
Zur Speisenbegleitung gibt es viele Möglichkeiten. Gebratene Maischolle mit Butter und Petersilienkartoffeln; Zander, auf der Haut gebraten, mit Pastinakenpüree; Miesmuscheln in Weißweinsauce; Gebratene Garnelen mit Korianderpesto; Ceasar’s Salad (Parmesandressing); Meeresfrüchtesalat mit Orangenmayonaise, Olivenbrot.
2016 Grauer Burgunder Kalkmergel trocken
€ 11,50
In der Nase Birne, Tabakblätter, Kiefernholz, Akazienhonig, Grapefruit.
Am Gaumen weicher Auftakt von Akazie und Tabak. Viel Fruchtaromatik, abgelöst von sanfter Säure, mündend in Schmelz von Birne und Holunderblüten.
Im langen Nachhall sehr breit und cremig. Mit einer fast haptischen Textur. Leichtes Säurespiel unterstützt ein rauchiges finish. Grauburgunder in Hochform.
Auch hier gibt es viel an passenden Speisen. Trüffelnudeln; Geschnetzteltes vom Huhn, Tomate, Majoran mit Pasta; Lachs, gratiniert mit Estragon und Bechamel an Wildreis; Risotto mit gebratenen Jakobsmuscheln und Erbsenpesto.
2013 Essenheim Spätburgunder Kalkmergel trocken
€ 15,00
Süßkirsche, Heidelbeere, Jamaicapfeffer, Zigarrenblätter in der Nase, ergänzt von Liebstöckel und Zimt. Auftakt von Roten Beeren am Gaumen, abgelöst von kurzer sanfter Säure, ergänzt durch Rauch, Tabak, Kakao. Würzige beeriges Mundgefühl mit runden leichten Tanninen.
Im Nachhall sehr lang, sehr elegant, beerig mit einer ausgewogenen sanften Tanninstruktur.
Fast würde ich sagen, dieser Wein braucht keine Speisen, denn er ist unendlich harmonisch.
Dennoch sind hier meine Vorschläge. Räucherschinken mit Oliventapenade und Ciabatta; Boeuf Stroganoff (Rote Bete) mit Rösti; Perlhuhn, gefüllt mit Pilzen, Rosinensauce, Romanesco; Schweinemedaillons, Kräuterkruste, leichte Zimtsauce, Schupfnudeln.
Nachtrag
Anlässlich der Jahrgangspräsentation am 2. und 3. September 2017 gab es eine
Vertikale von Spätburgunder Blume 2015- 2011
Alle Weine werden zwei Jahre im Fass ausgebaut. Mein Favorit war 2014 gefolgt von 2013, auch wenn die allgemeine Begeisterung zu 2012 und 2013 ausschlug.
2015 Spätburgunder Blume
Sauerkirsche, grünes Gras, Mandel in der Nase. Am Gaumen noch etwas grün, jugendliche Anklänge, leicht adstringent. Im Nachhall rauchige Noten mit Marzipan. Weiches Finish.
2014 Spätburgunder Blume
Animalische Noten eröffnen die Nase, gefolgt von gerösteten Kaffeebohnen, Pfeffer, Würzigkeit.
Am Gaumen weicher Auftakt von Süßkirsche und Marzipan, gut eingebundene lebendige Tannine. Im langen Nachhall rund mit einer Spur von Orangenceste.
2013 Spätburgunder Blume
In der Nase eröffnen geröstete Kaffeebohnen, Eukalyptus, gestoßener Pfeffer und Sauerkirsche den Reigen. Die Kirsche wird am Gaumen breit und ausgewogen. Gefolgt von leicht kühlen Noten, feiner Säure, mündend in Würzigkeit. Im langen Nachhall edel mit einer Spur von Rauch.
2012 Spätburgunder Blume
In der Nase Orangenceste, Veilchen, Eukalyptus, leicht kühl. Am Gaumen weicher Auftakt mit viel reifer Kirsche, abgelöst von Espressopulver und Jamaikapfeffer. Im Nachhall lang, sehr rund, mit wacher gut integrierter Säure.
Die Braunewells haben zwischen den beiden Jahrgängen 2011 und 2012 ihre Stilistik ein wenig verändert. Dies lässt sich hier gut sehen.
2011 Spätburgunder Blume
Nase von Leder und überreifen Trauben, leicht nussig, etwas Eisen. Am Gaumen weiche üppige Beerenfrucht ergänzt um etwas Kaffeesatz und auskleidendeTannine. Sehr lang, weich und fruchtig im Nachhall.
Direkt ab Weingut € 22,50
Drei Jahrgänge Francois Merlot
Ich sage es vorab: das ist großes Kino. Tannin pur.
2013 Francois Merlot
Graphit, Teer, Rauch, Espresso in der Nase. Am Gaumen üppige Pflaume, Graphit, prägende Tannine.
Im Nachhall streng und gradlinig, mit leicht fruchtigen Waldbeernoten im finish.
2014 Francois Merlot
Graphit, Teer, etwas Süßkirsche, sehr kühl. Gaumen Auftakt von grünen Walnüssen, gefolgt von üppigen roten Beeren, Lakritz, sehr adstringent. Im Nachhall lang mit jungen Tanninen und leichter Frucht.
Der Wein ist jung und braucht viel Luft.
2012 Francois Merlot „Reserve“
3 Jahre barrique, 2 Jahre Flaschenreife
Nasse Blätter, Kaminrauch, Brombeere eröffnen die Nase. Am Gaumen Espresso, Walnüsse, Pflaume mit prägender Tanninstruktur. Im Nachhall von extremer Länge aber noch sehr gerbig.
Ein Wein, der Zeit braucht. Für alle Freunde des Tannins ein Genuss.
Und zum Abschluss noch ein Wein, der nur in besonderen Jahren gefüllt wird.
2015 Francois Rotweincuvée „Reserve“
Syrah, Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc, Merlot
24 Monate barrique, gefüllt im August 2017
Waldboden, nasse Blätter, Rosa Pfeffer, Brombeere, etwas Cassis eröffnen die Nase.
Am Gaumen sehr stoffig und würzig mit Noten von Waldbeeren, Zartbitter Pfeffer, Heidelbeere, Tabak.
Im Nachhall lang mit wunderbar ausgeprägten Tanninen, sehr füllig.
Grandios gemacht. Man sollte ihn noch einige Jahre lagern.
Francois Merlot € 22,50
Francois Merlot “Reserve” € 39,50
Francois Rotweincuvée “Reserve” € 29,50
Hier geht’s zum Weingut
Mein Dank gebührt der Familie Braunewell für Ihre Zeit, die Einblicke und die Weine.
Rechte folgender Fotos liegen beim Weingut Braunewell.
Familie (Foto von Daniela Mohr)
Brüder (Foto von Peter Bender)
Brüder (Foto von Peter Bender)
Muscheln
Kalkstein
Mergel
Kalkstein im Weinberg
Reben bei Sonnenuntergang
Braunewell-Dinter im Weinberg
Animation des neuen Weinguts
Die WeinPlanerin. Wein und Speise. Korrespondierend oder Konträr.
Wunderbarer und authentischer Beitrag: macht Lust, sich sofort auf den Weg nach Essenheim zu machen!
Danke! So soll es sein: neugierig machen will ich und die Menschen mit ihren Weinen authentisch darstellen.
Wie immer liebevoll geschrieben, fachlich profund. Fast ein wenig zu viel des Guten – hätte für zwei Artikel gereicht.
Ja, aber eine Fortsetzung schreibt sich schlecht. Es gibt einfach soviel spannendes über die Braunewells zu erzählen.