Es ist zugegebenermaßen schwer, sich im Dschungel der Weinbeschreibungen und Notizen der selbsternannten und wirklichen Päpste, der Kritiker, Journalisten, Profis, Laien, der viele Künstler oder auch Könner zurecht zu finden.
Weiter zugegeben sind auch meine Artikel nicht frei von persönlichen Noten.
Sie sind es weitgehend in der klassischen Weinbeschreibung. Mein Kommentar ist als solcher kenntlich.
Sicher gibt es Bewertungskriterien, die den einen oder anderen eher ansprechen und die er dann lesen kann und sich diese Skala zu eigen macht. Das ist sinnvoll und lobenswert.
Es gibt jedoch im galoppierenden Zeitalter der Blogger und Wein-Kommentatoren mehr und mehr Auswüchse, die weit über das Gehabe von Wow. Geil. Genial. Punktlandung. ohne jegliche Erklärung hinausgehen.
Das allseits geschätzte journalistische Urgestein Manfred Klimek hat es uns allen vor gemacht mit dem unvergleichlichen Begriff von frisch gespülter und danach kühl aufbewahrter Tupperware zu einer weißen fränkischen Cuveé. Das war nun jedenfalls mal neuartig.
Und auch beim deutschen Riesling Papst Stuart Pigott lesen sich zuweilen interessante Blüten.
Ein Wein wie ein Feuerwerk: schlank, kühl, brillant, sehr mineralisch, mit einer sexy Frucht.
Genug davon. Zugegebenermaßen können solche Neu-Wortschöpfungen einen gewissen Unterhaltungswert haben, lenken sie von den oben genannten Stereotypen ab und sind zumindest kreativ wenn auch nicht immer hilfreich.
Nun bin ich kürzlich über eine viel weitreichendere neue Bewertungsskala gestolpert.
Und um diese soll es hier im Folgenden gehen.
Die Kategorisierung von Wein in maskulin und feminin.
Bei Wikipedia gibt es noch keinen Eintrag zum Thema.
Allerdings einen sehr erheiternden Eintrag zur Önologischen Weinsprache.
Hier sind die Steine meines Anstoßes, beides übrigens Beschreibungen von Spätburgunder.
Wahrhaft kein schlanker Wein. Saftig und fleischig, dicht und voll, mit schön eingebundenen Tanninen, fast maskulin mit seiner leichten Schärfe nach schwarzem Pfeffer und den Bitternoten bis hin zur Olive.
Der Wein besitzt süße Würze und Parfüm, ist samtig und seidig, erotisch und feminin, zeigt immer neue Facetten und ist unglaublich lang.
Der Wein ist fein, intellektuell, nicht maskulin, sondern eher feminin und bietet sich dem Genießer freudig an.
Schlucken. Lächeln. Dann Fragezeichen.
feminin und sich freudig anbieten…na der Wein muss ja ein Sümmchen kosten
Mehr Fragezeichen.
fein und intellektuell = feminin
Im Umkehrschluss bedeutet das dann
dicht und voll = maskulin…na die Pointe darf jetzt jeder selbst weiterschreiben
Die Fragezeichen werden zur roten Warnlampe.
Stopp. So war es nicht gemeint. Es kann sicher auch intellektuellen feinen maskulinen Wein geben.
Herrje. Worein verstricke ich mich da gerade.
Ich habe schon davon gehört, dass es Frauen- und Männerwein gibt.
Also den Malbec zum Grillen für die Jungs und den Syrah/Grenache Rosé für die Mädels auf der Sommerterrasse.
Das laut Eigenaussage führende Weinmagazin Deutschlands hat das Thema Männer und Frauen im Trinkverhalten auf seinen April Titel genommen und festgestellt, dass Frauen kräftige komplexere Weine mehr schätzen als Männer.
Und die Weinkritikerin Jancis Robinson hat den Satz geprägt: „Frauen gehen viel entspannter an das Thema Wein heran. Für Frauen ist die Wahl eines Weins kein Statussymbol. Frauen wählen einen Wein, den sie trinken wollen, nicht einen Wein, mit dem sie etwas zeigen wollen.“
Auch wenn dem an anderer Stelle zu widersprechen wäre, lasse ich es für heute so stehen.
Was aber bitte ist männlicher und weiblicher Wein???
Sind filigrane Weißburgunder hinfort weiblich?
Wie werden wir die Rieslinge kategorisieren…Mosel männlich, weil Schiefer, Rheinhessen dann eher weiblich weil Lehm und Sand und die schöne Pfalz muss sich beim Riesling mit Gender zufrieden geben? Aber der Pfälzer Spätburgunder mit langer Maischegärung und Holzausbau, der ist dann sicher männlich, wenngleich der Badische…
Mein Kopf schlägt Kapriolen.
Wo stecke ich rote fruchtige Spanier oder Franzosen hin?
Was mache ich mit Rotwein aus dem Priorat, um nur mal ein extremes Beispiel zu nennen.
Denn diese Weine brauchen Luft und Zeit und sind zu Beginn wegen ihrer Tannine oft sehr ruppig.
Ha, ich habe einen neuen Begriff: ruppig=männlich
Aber nein, diese Weine, sind sie dann ja später oft sehr weich und bieten sich förmlich an.
Gibt es also in der Weinbeschreibung auch Zwitterweine? Priorat = Mannweib?
Zurück zum Thema.
Ich male mir aus, wie ich meine Weinbeschreibungen neu sortiere.
Und sehe mich schon auf Pfaden neuer sensorischer Höhepunkte bei einem Wein Menü.
Serviere ich hinfort ausschließlich männliche Weine zu weiblichen Gerichten und umgekehrt.
Jeder Koch dieser Erde wird mich ob dieses Unterfangens steinigen.
Abgesehen davon, dass ich gar nicht in Worte zu fassen vermag, was weibliche und männliche Tugenden per se seien könnten in Bezug auf Wein und ebenso auf Speisen.
Ich komm nicht weiter.
Eine Mini Umfrage unter vinophilen Freunden wird es richten.
Einstweilen vertreiben wir uns die Zeit mit einem Zwitter namens Rosé.
2015 Saignée Rosé ng.2
Spätburgunder, Merlot, St. Laurent
Weingut Nauerth-Gnägy, Pfalz
Die Saignée Methode mit langer Tradition in Frankreich
findet sich langsam auch bei deutschen Weinen.
Leicht animalische Nase, etwas nasse Erde, Sommerkräuter.
Am Gaumen Toast, Tabak, Rauch, Pflaume, Brombeer.
Kurze Säurespitzen, eher dunkle Aromatik, dann Mandel und Brombeere.
Weiches mittleres finish mit Schmelz und etwas Säure, würzig.
Der Wein ist ein guter Solist, mittelschwer, etwas fruchtsüß, unkompliziert.
An Speisen empfehlen sich Ziegenfrischkäse und Oliven; Leberwurst mit Toast und mildem Käse;
Flammkuchen; Pasta mit Tomatensauce und Oregano; Grüne Bohnen Curry mit Kokosmilch und Thai Basilikum
Hier sind meine Umfrage Ergebnisse, selbstverständlich völlig neutral und anonym.
Vorab eine interessante Erkenntnis.
Auf meine Bitte, Wein in männlich und weiblich zu sortieren, kam in den meisten Fällen zunächst eine Kategorisierung der Rebsorten…. Hier sei zu beachten, dass es Überschneidungen gibt.
Auf zu neuen Ufern sage ich nur! Und danke an meine Leser für ihren coolen input.
Weiblich
Weißburgunder, Grauburgunder, Malvasia, Moscato, Sauvignon blanc, Chenin Blanc, Pinot Noir, Malbec, Pinotage, Shiraz, Schwarzriesling, Syrah, Sangiovese
Männlich
Riesling, Silvaner, Bacchus, Elbling, Grauburgunder, Chardonnay, Grenache, Tokai, Semillon, Nebbiolo, Nero D’Avola, Merlot, Cabernet Franc, Cabernet Sauvignon, Tannat, Tempranillo, Grenache, Malbec, Sangiovese
Eine weibliche Aussage
Weibliche Weine sind leichter zu trinken, lassen sich aber schwerer erschließen, da man sie oft erst für flach hält oder für zu artifiziell, vor allem, wenn es Cuveés sind.
Männliche Weine erklimmen sich schwerer, halten aber nicht immer, was sie zuerst versprechen.
Eine männliche Aussage
Männliche Weine sind Wucht, Kraft, Druck, Komplexität.
Weibliche Weine sind Eleganz, Zärtlichkeit, Sinnlichkeit, Verführung.
Und hier unfiltriert die ungewöhnlichste Antwort, die ich bekam!
Brennerautobahnklo könnte Klimeks Tupperware glatt den Rang ablaufen….
Wir hatten einen Bandol aus 1995. Eine solche Sanftheit und auch die Rundungen, die die verbliebenen Tannine im Mund vollführten waren ganz sicher feminin.
Einen Freisa aus 2014, bizzelig auf der Zunge, keine Tannine, erinnert an Sauerkirschen und Süßholz,
erfrischende weiche Säure. frau möchte das Glas gar nicht mehr aus der Hand geben.
Einen Naturwein Riesling aus dem Rheingau mit Stengel und Stielen vergoren und 42 Monate auf der Hefe, unfiltriert. Nach 24 Stunden karaffieren wird er langsam zugänglich. Da wiederum lässt man keinen Tropfen in der Flasche.
Einen 2007 Cabernet Sauvignon aus der Toskana. Die Nase gefüllt mit Leder, Brennerautobahnklo
und Holz, dann eine Säure und Tanninstruktur die man besser im Sitzen verkostet.
Ohne geschmorte Kalbsbeine kaum zu ertragen aber einfach gut.
Auch wenn diese Weinbeschreibungen genau dem widersprechen, was in der Weinsprache neutral und verständlich sein soll, sind sie von solchem Witz, dass sie hier gewürdigt werden wollen.
Ist es nun also unsere Herangehensweise an den Wein, die ihn weiblich oder männlich einstuft?
Oder ist es einfach nur ein neuer Versuch, Kategorien zu schaffen für ein Produkt, das diese Zuordnung gar nicht braucht?
Männlich. Weiblich. Wein. Ein Versuch über ein Absurdum.
Und damit meinen geneigten Lesern nun nicht die Trinkfreude abhanden kommt,
gibt es jetzt noch einen Rotwein, der in keine einzige Kategorie passt.
2013 Palazzo della Torre Veronese IGT
70% Corvina Veronese, 25% Rondinella, 5% Sangiovese
Allegrini, Valpolicella
Ein Drittel der Trauben werden nach der Ripasso Methode verarbeitet.
15 Monate im Barrique, 7 Monate auf der Flasche Reifezeit
Die Nase ist geprägt von Heidelbeere, Nelken, Ginster, Kaminrauch,Eukalyptus,
Pinienholz, Cassis.
Leicht kräutriger Auftakt am Gaumen, gefolgt von lebendiger Säure, abgelöst von weichen Cassis- und Heidelbeer-Noten, etwas Pflaume ergänzt durch Nelken, Kakaopulver und Zartbitter.
Im langen weichen Nachhall kräutrig und reich an dunklen Fruchtaromen.
Die Säure gibt dem Wein eine gute Stütze. Er braucht unbedingt einige Stunden Luft.
Als Speisen empfehlen sich Schinken im Brotteig; Vesperplatte mit Terrinen, Gürkchen, Zwiebelmett, Blutwurst, mittelaltem Käse; Lasagne; Rotweinrisotto mit gebratenem Huhn und Thymian; Tagliatelle mit schwarzem Trüffel; Schweinefilet mit Erbsenpüree und Pilzragout.
Männlich. Weiblich. Wein. Eine Bestandsaufnahme.
Bezugsquellen
Saigneé Rosé ng.2 € 8,90 LaibachundSeeger
Palazzo de La Torre, Allegrini € 14,90 im internet
Die WeinPlanerin. Korrespondierend und Konträr.
Ob männlich oder weiblich, dies ist einer der witzigsten Weinblogs, die ich bisher unter die Augen bekam. Selbstironie, wie ich sie liebe. Hatte fast vergessen, dass die KennerInnen der Materie sich auch selbst auf die Schippe nehmen können. Gratuliere!
Na, war doch mal Zeit. Schön, wenn der Text erheitern kann!
liebe juliane,
die zeit zu nehmen hat sich, wieder einmal, ausgezahlt.
ein erfrischender femininer beitrag mit maskulinen anteilen und gendertüpfelchen dazwischen – schön 🙂
macht immer wieder freude deinen blog zu lesen.
harald
Liegt an mir zu danken für die Anregungen, lieber Harald.
Es erscheint mir sinnvoll, die alten Schubladen mal zu überprüfen und auch zu lüften. Dass sich in den Klischees „männlich“ und „weiblich“ oft historisch entstandene und gefestigte Zuschreibungen verbergen, kann man einfach nicht bestreiten. Aber tempora mutantur nos et mutamur in illis und wer mal eine alte Kubanerin genussvoll an ihrer Zigarre hat ziehen sehen und dieses Verhalten bis dahin vielleicht eher mit „dem Gerd“ assoziiert hatte, muss sich dann eben ein wenig umjustieren. Mit dem Weingenuss ist es wahrscheinlich nicht viel anders. Je größer die Zahl erfahrener Weinliebhaberinnen wird (Eroberung einer sehr alten Männerdomäne), desto stärker könnte auch die Wertschätzung von Bandol, Madiran, Chinon, Cahors etc. beim sogenannten „weiblichen Geschlecht“ werden. Schade wäre es nur, wenn man bei der Beschreibung des Geschmeckten und Erlebten ganz auf die eingangs erwähnte persönliche Note verzichten würde. Schließlich sind alle Werturteile am Ende doch auch höchstpersönliche Urteile. So lange sie noch auf differenzierte Weise Inhaltliches zu transportieren versuchen, ist dagegen nicht viel einzuwenden. Denn Wein ist oft ein ziemlich komplexer Gegenstand mit vielen persönlich anrührenden Nuancen, die auch wahrgenommen und geschätzt, nicht bloß kühl „gemessen“ werden wollen und sollen. Für problematischer als die persönliche Note halte ich daher die an die Jugendsprache der vorletzten Generation angelehnten Sensations- oder Lustschreie. Da würde es auch eine 10-, 20- oder 100-fach unterteilte „Wow!“- oder „Geil!“-Skala tun.
Danke, Stefan Krimm für diese wärmenden Worte – ja, Wein ist etwas persönliches und trotzdem scheint es mir, als würden wir oft lieber im „Begriffe Wühlen“ wetteifern, als uns auf das zu konzentrieren, was wir sollten: den Wein in seinen Facetten klar beschreiben. Die 20fache Begriffe Gala nehme ich mir dann für einen weiteren Beitrag vor.
Danke für diese wunderbaren Gedankenspiele. Wein ist so viel…
Ja….und deshalb lohnt es sich, darüber zu schreiben.
Oha, ein Geständnis? „……. Weiter zugegeben sind auch meine Artikel nicht frei von persönlichen Noten. …..“ Ich sach mal, hoffentlich bleibt alles voll mit persönlichen Noten. Büdde.
Weiblicher oder männlicher Wein? Ich knips mal den Ironiebutton aus und behaupte, dass dies bei der Bewertung nebensächlich ist, da niemand festlegen kann, wofür weiblich oder männlich beim Wein steht. Ich zumindest nicht.
Oder ich knips nach dem zweiten Glas eines badischen Spätburgunders den Ironiebutton an, grins mir einen und werfe ein „Gender, Gender – Zeitverschwender“ in die Runde. Grüße aus dem Norden, Martin
Artikel sind niemals frei von persönlichen Noten, Martin, das hat Stefan Krimm in seinem Kommentar sehr treffend dargelegt.
Aber Männlich Weiblich halte ich für Unsinn. Und ich hoffe nur, dass der Spätburgunder dennoch mundet.