Das Telefon klingelt. Es schreit. Es schrillt eindringlich.
Egon winkt mir ungeduldig durch den Hörer zu.
Wir müssen den Keller aufräumen, ruft Egon.
Aha, sage ich. Meinen oder Deinen Keller?
Meinen, mault der Hörer.
Wieso entgegne ich, bei Dir ist doch alles mächtig strukturiert.
Wenn jemand in seinem Keller mal aufräumen sollte, dann doch wohl eher ich.
Neeeiiinn, ruft Egon. Die Weine.
Die Weine? frage ich.
Der Hörer wird nun etwas leiser. Ja, sagt er. Ich habe den Überblick verloren.
Den Überblick, sag ich. Aha.
Ja, ruft Egon, und schon kommt wieder Fahrt in seine Stimme.
Ich hatte kürzlich einen alten Südfranzosen, ein Bilderbuchwein, so weich und filigran,
und als ich mich bei der vermeintlichen Schenkerin bedanken wollte, so war er gar nicht von ihr.
Oohoo, rufe ich nun auch ins Telefon. Das ist nun wirklich schlimm.
Sag ich doch, schreit der Hörer. Aufräumen.
Wir brauchen eine Kellerliste.
Ich denke an all das, was ich gerade wichtigeres zu tun habe.
Steuererklärung, Jahresendgeschäft. Ein neuer Artikel wartet.
Aber Egon gibt nicht nach.
So lasse ich mich breit schlagen, zwischen den Jahren mit ihm aufzuräumen.
Sicher fällt dabei auch ein guter Tropfen für uns beide ab.
Egon und die Kellerliste
Zugegeben, ich trinke öfter Wein mit Egon. Doch ich bin keine Sammlerin, so ist mein Keller übersichtlich. Den Keller Egons hatte ich bislang selten gesehen.
Nun aber wird es ernst.
Ich verordne ihm Ruhe. Denn zuerst muss aus versteckten Winkeln in einem leider recht großen, glücklicherweise gut durchlüfteten Keller, in dem aber nicht nur der Wein parkt, sondern auch Weihnachtsdekoration, Gartenschlauch, Küchenmaschinen, Weingläser und anderes, der Wein zusammengesucht werden.
Ich hadere innerlich mit mir, denn diese Aufgabe hätte ich ihm ja vorab schon stellen können.
Sei wie es sei. Egon, hibbelig mich beargwöhnend, schweigt und wartet. Wir stellen die Weine in die Mitte, Einzelflaschen in ein freies Regal, bis alles zusammen ist.
Dann beginnt die Bestandsaufnahme. Ich achte darauf, in meinen Notizen halbwegs eine Sortierung zu erstellen.
Und staune, was sich da so findet.
Süßwein aus vergangenen Epochen. Rotweine, die nach 15 Jahren demnächst ihren Höhepunkt erreichen. Aber auch einfache Weine, die bereits zu lange liegen, selbst wenn sie aus der Magnum Flasche sind.
Meine Kommentare sind Egon Tadel genug. Er mault sehr leise.
Ich sammle nicht. Genau aus diesem Grund. Will man Weine lagern, muss man das gründlich nachhalten. Der Keller muss trocken und am besten gut belüftet sein.
Die Kellertemperatur spielt dann sicher auch eine Rolle, er darf also maximal 15 Grad haben.
Solange es aber kein alter modriger Keller ist, würde ich mir darum nicht zu viele Gedanken machen.
Nur Autoreifen und Farbtöpfe sollte man besser nicht in diesem Keller lagern.
Sammeln ist spannend, wenn man es nachhalten kann.
Fand ich doch bei Egon einige Priorat Weine, die er vor Jahren gekauft hatte und die Zeit zum Reifen brauchen. Auch alte Rieslinge, die ich ihm geschenkt und längst vergessen hatte.
Deutsche Granaten ebenso wie schöne Rhone Weine.
Sammeln sollte man aber nur, wenn man dafür das nötige Kleingeld hat und die Zeit, das Nachzuhalten. Wein braucht Pflege. Und eine Kellerliste.
Egon und die Kellerliste
Weil Egon mein Freund ist und wir beide gut und sehr gerne kochen, gab es am Ende ein Abendessen mit wunderbareren Weinen aus seinem Keller.
Die Menüfolge wurde allerdings nicht in der Üppigkeit meiner nachfolgenden Speisenempfehlungen ausgeführt.
2022 Rosé Fumé
Cabernet Franc, Merlot, Sonstige
Weingut Knipser, Pfalz
€ 20,00 – 13 % Vol.
Überwiegend aus Saftabzug der für den Top Rotwein Cuvée X vorgesehenen Trauben. Die Vergärung und anschließende Lagerung auf der Hefe bis Juni erfolgte in großen und kleinen Holzfässern. Ein Rosé der auch im Winter Spaßmacht: Kraftvoll und fruchtig mit feinster Würze vom Holz. (Weingut Knipser)
In der Nase grüne Walnüsse, Süßkirsche, Mandeln, Erdbeere, Brioche, Nusskuchen, Majoran, Eisenkraut, Schnittlauch.
Am Gaumenauftakt viel weiche Frucht, kräftige Süße, abgelöst von nussigen, toastigen Noten, etwas Gartenkräutern, Himbeere, weiße Schokolade, Karamell. Sehr üppig.
Der Nachhall ist weich und lang mit guter Balance von Frucht und Kräutern, toastiges, nussiges Finish mit sanfter Säure.
Bei 12-15 Grad Servieren. Dieser Rosé ist eine echte Überraschung.
Speisen:
Carpaccio vom Gelbflossenthunfisch auf Portulak, Wasabi-Mayonnaise und Terriaky Sauce; Meeresfrüchtesalat mit Erbsenschaum; Krustentiersuppe mit Basilikum-Brotchips; Gegrillter Octopus auf Ragout von Berglinsen und Koriander
2020 Marsannier
Marsanne, Viognier
Weingut Knipser, Pfalz
€ 32,00 – 13,5 % Vol.
Die Pfälzer Interpretation der großen Weißweinrebsorten der Rhone: Marsanne und Viognier in einer Cuvée. Saftige Frucht, die von einer pikanten Säure wunderbar ausbalanciert wird. Vergoren und ausgebaut in neuen Barriques aus Burgund. Langes Hefelager bis zur Abfüllung im Spätsommer des Folgejahres. (Weingut Knipser)
Die Nase eröffnen zitrische Noten, gefolgt von Mirabelle, Sternenfrucht, Toast, Weißbrotrinde, Nüssen, Mango, Quitte.
Schmelziger Gaumenauftakt von Lack, Blütenhonig, Grapefruit, kurze frische Säure, Vanille, Ananas, Quitte, Karamell, geröstete Haselnüsse.
Breit und cremig im sehr langen Nachhall mit ausgeprägter Frucht, feinwürzigem Finish und leichter Frische.
Bei 12-15 Grad Servieren. Ausnahmewein.
Speisen:
Steinbuttfilets mit Weißwein-Senfsauce, Speck-Tomaten, getrüffeltem Kartoffelpüree; Raclette mit gebratenen Jakobsmuscheln und Thunfisch; Putenbrustfilet, gefüllt mit getrockneten Tomaten und Frischkäse an geschmortem Pak-Choi mit Rosinen und Pinienkernen; Medaillons vom Kalb mit Rahmpilzen und Kartoffelrösti
2020 Château de Haute-Serre
Grand Vin Seigneur, Cahors AOP
Malbec
Georges Vigouroux
€ 27,50 – 13 % Vol.
Die beeindruckendsten, druckvollsten Malbecs kommen aus Cahors. Kein Wunder, schliesslich ist die Region im Südwesten Frankreichs die Heimat der Rebsorte. In diesem alten und zugleich aufstrebenden Anbaugebiet hat das Weingut Georges Vigouroux seinen Sitz. Auch dank der Beratung durch den Starönologen Paul Hobbs gehört es zu den besten Weingütern der Region. Das wunderschöne Château de Haute-Serre lockt zudem mit einem Sternerestaurant. (Mövenpicks Weinkeller)
Üppige Nase von Waldboden, Nougat, Kakaopulver, Brombeere, Cassis, Teer, etwas Leder, Liebstöckel, Orangenceste, Schwarztee, Kaminrauch, Rosinen, etwas Vanille.
Frischer Gaumenauftakt, gefolgt von erdigen Noten, Tabak, Zimt, Gewürzen, mündend in Pflaume, Brombeere und prägenden Cassis Noten.
Langer weicher Nachhall mit feinem Muskat, Tabak und Röstaromen, filigranen Tanninen und ausgewogener Frucht.
Ein kleines Wunder. Malbec in perfekt ausgewogener Form. Jetzt trinken.
Speisen:
Gebratener Hirschrücken auf Pastinakenpüree und glaciertem Rosenkohl; Osso bucco vom Kalb mit Tomaten, Zwiebeln, Knoblauch geschmort, Safranrisotto; In Rotwein geschmorte Lammhaxe mit Ratatouille und Kartoffelkrapfen
2018 Maring-Noviander Honigberg
Riesling Spätlese Sponti Steillage
Weingut Eligius Arens, Mosel
€ 13,80 – 8,5 % Vol.
Die Weine von Reinhard Arens an der Mittelmosel sind geprägt von seiner Handschrift. Stets spontanvergoren mithilfe eigener Kellerhefen, überzeugen die Weine, geprägt mit eindrucksvoller Schiefermineralik und einer kraftvollen Frucht, leicht im Alkohol und extrem altersfähig.
Mehr über den Winzer gibt es in einem Porträt, das ich vor Jahren geschrieben habe.
In der Nase zunächst Firn und Petrol, das weicher wird, gefolgt von Birne, Menthol.
Schmelziger Gaumenauftakt von Akazienhonig, Muskat, etwas Drops, kandierte Früchte, reife Birne.
Im Nachhall leicht mit kräftigem Lack und etwas Firn. Erstaunlich kräftiges Säuregerüst.
Der Wein braucht Luft. Am besten karaffieren. Er verändert sich nur sehr langsam, das wird spannend in den nächsten Jahren.
Speisen:
Blauschimmelkäse mit Oliven-Ciabatta; Schokoladenkuchen mit Pistazieneis; Ziegenkäse-Eis mit Mokka-Creme Brulée
Egon und die Kellerliste
Aufräumen kann auch eine schöne Aufgabe sein.
Bezugsquellen
Cahors bei Mövenpick
Liebe Juliane,
schöner Beitrag – wenn er auch ein leicht ungutes Gefühl bei mir auslöst… Keller durchforsten.
Sollte vielleicht mal die „alten“ Arens Schätzchen hervorkramen – und genau deine
Nachspeisenempfehlung dazu zelebrieren 🙂
Alles Liebe
Harald
Lieber Harald,
wie schön, von Dir zu lesen! Ja, solltest vielleicht mal „abstauben“. Die Schätze von Arens lohnen sich in jedem Fall.
Aber das Ziegenkäse Eis muss selbstgemacht sein. Ist mein neuester Flitz und sehr zu empfehlen….
Herzliche Grüße, Juliane
Wenn du ein schönes Ziegenkäseeis-Rezept mit mir teilen magst – meine Eismaschine wartet
sehnsüchtig auf Arbeit ! Wäre wunderbar da ich vom Wochenende in Strasbourg noch feinen
Ziegenfrischkäse habe, welch ein Zufall…
🙂
Here you go:
250ml Milch, 150ml Sahne erhitzen, 50g Honig, 70g Ziegenfrischkäse, 55g Zucker, 1,5g Johhanisbrotmehl (zum Binden – ansonsten müsstest Du wahrscheinlich 2 Eigelb nehmen).
Ich lasse die Masse mit einem großen Rosmarinzweig einen halben Tag im Kühlschrank ruhen. Dann Zweig entfernen, die Masse einmal kurz mit dem Pürierstab auflockern und in die Eismaschine.
Viel Vergnügen!
Dank Egon habe ich nachgeschaut, ich habe einen Eligius Arens Wein, er wartet auf Gäste.
Sehr witziger Artikel. Dank an Juliane.
Vielen Dank, Renate. Der Wein in Deinem Keller ist aber ein junger Riesling vom Arens. Es geht eben nichts über eine Kellerliste.
super,
danke für´s Rezept…
werde ich in kürze ausprobieren und berichten…