Das Telefon klingelt. Es schreit. Es schrillt eindringlich. Ich kann ihn rufen hören.
Egon winkt mir förmlich durch den Hörer zu.
Ich habe heute Zeit, so gehe ich fröhlich an mein Telefon und frage Egon artig nach seinen Wünschen, denn wie Ihr Euch sicher erinnert, hat Egon immer Wünsche, wenn er durch den Hörer winkt.
Wir räumen auf! sagt er.
Ich fühle mich ertappt. Woher weiß er, dass mein Keller langsam in eine Katastrophe mutiert, dass sich Weinkisten stapeln oder schlimmer noch, Einzelflaschen einfach herumstehen, statt standesgemäß zu lagern?
Wir räumen auf, wiederholt er fröhlich.
Angriff ist die beste Verteidigung, denke ich und schleudere Sätze ins Telefon.
Ich suche gerne Wein aus, ich berate dich und helfe dir bei jeder Eskapade, ich komm zum Kochen, wenn’s wieder mal eng wird mit den Grillfreunden, aber wenn ich jetzt noch aufräumen soll, schwankt unser Schiffchen Freundschaft gefährlich Richtung kentern.
Neeeiiinn, sagt Egon und dieses Nein klingt dieses Mal sehr entspannt.
Ich höre, wie er genüßlich einen Schluck Wein in seinem Mund hin und her wandern lässt.
Ich halte den Atem an.
Egon grinst durchs Telefon.
Wir räumen auf mit Sauvignon.
Nun bin ich doch ertappt auf andere Weise.
Sauvignon blanc und mich verbindet eine kaum zu überbrückende Bipolarität.
Der eine Pol ist meine fachliche Seite.
Sauvignon blanc ist meines Erachtens wegen seines Aromen Reichtums und der oft frischen und zarten Säure ein sehr guter Speisenbegleiter und lässt sich gut in Menüfolgen integrieren.
Das Speisenspektrum reicht von Thunfisch-Kapern über Bouillabaise, Thaisuppe, unterschiedlichster Zubereitungsarten von Krustentieren, Fischen, einzelner asiatischre Gerichte, Risotto mit grünem Spargel und viel mehr.
Und schon sind wir beim zweiten Pol.
Vor die Wahl gestellt, welche Sorte Weißwein ich an einem Abend unter Freunden trinken möchte oder für mich allein nach einem langen Tag, wähle ich niemals Sauvignon. Er gehört in meinem Leben einfach nicht zu den favorisierten Solisten.
Egon hat also beschlossen, ich müsse mein Vorurteil mit dem Sauvignon aufräumen.
Und da dies endlich mal kein zeitkritisches Unterfangen ist, willige ich ein.
Wir ziehen los und kaufen ein, was wir schon kennen oder kennen lernen wollen, was uns empfohlen wird und wovon wir uns eine Überraschung erhoffen.
Zur Sicherheit werden auch die Zutaten für ein Risotto mit grünem Spargel, Limettenceste und Garnelen eingekauft.
Damit wir Grundstock haben für die Probe.
Dann geht es los.
Egon besteht auf dem Beginn mit den Überraschungen, ich plädiere für eine erneute Sortierung nach Ländern, um besser vergleichen zu können. Das lehrt die Erfahrung mit der Spätburgunder Probe. Egon schmeisst sich ins Ruder und merkt an, dass dies hier seine Idee war und er also auch der Käpt‘n sei.
Doch schon trifft hier mein Argument wie Seitenwind auf hoher See. Ich trink nicht gerne Sauvignon, das stimmt. Aber ich verstehe vom Verkosten einfach mehr.
Egon gibt grummelnd nach.
Es wird eine fröhliche Runde und nicht alles, was wir probieren, kann hier seinen Platz finden.
Wir gehen durch die Länder und versuchen, die Weine nach Kräftigkeit zu trinken, das gelingt nicht immer, da wir nicht jedes Mal wissen, was uns erwartet.
Ein interessantes Ergebnis für mich war auch, dass in einer kleinen Preisspanne interessante Schwankungen des Gesamteindrucks bestehen.
Wein 1 wächst mitten in dieser Stadt und ist der 2015 Sauvignon blanc vom Weingut Clauer, Badische Bergstraße. Er kommt sehr zart daher ohne allzu grasige Noten und etwas Stachelbeere. Am Gaumen brausig, Himbeere und Eukalyptus mit leichtem Schmelz, zarter Säure und wenig Nachhall. Ein perfekter Apero. Guter Solist.
Als Speisenbegleiter nicht ganz in meinem Sinne.
Da steht Wein 2 schon anders da und ist preislich in derselben Liga. 2014 Sauvignon blanc trocken Eins zu Eins Eschersheimer Rosengarten von A. Diehl, Pfalz. Die Nase ist sehr verhalten mit Rharbarber und Tomatenstrauch, am Gaumen manch ungeahnte Wendung von weißen Beeren zu Drops, Limetten, Nüssen. Mittellang, wenig grasig mit kräftiger Säure. Ein guter Begleiter zu Salaten, Kalbsbraten und Vitello. Untypisch. Sehr international.
Wein 3 ist ebenfalls aus der Pfalz und stammt vom aufstrebenden sehr rührigen Weingut Bergdolt Reif & Nett. Der 2014 Sauvignon blanc Black Edition startet mit einer Nase nach Feuerstein, nasser Wolle, Himbeer und Eisbonbon, verdichtet sich am Gaumen in den Aromen, wird abgelöst von filigranem Schmelz, Kräutern und sanfter Säure und endet in einem langen ausgewogenen finish. Hier sind Crepes, Fische und Kräuter ein guter Begleiter, als Solist jedoch ebenso angenehm.
Zurück zur Bergstrasse führt Wein 4. Das ist 2014 Sauvignon Blanc vom Weingut Seeger. Hier findet sich ein kräftiger typischer Vertreter seiner Zunft. Cassis, Feuerstein, Paprika in der Nase gefolgt von Holunderblüten und Stachelbeere auch am Gaumen, leichter Schmelz, frisch und etwas adstringent. Mittellang, hell und ausgewogen mit frischer Säure. Ein Klassiker.
Wein 5 ist großes Kino holt meine Bedenken aber doch wieder hervor.
Wie lässt sich das solistisch trinken?
2014 Sauvignon blanc, Weingut von Winning, Pfalz.
Die Aromenfülle der Nase von weißen Blüten, Stachelbeere, Mineral, Rharbarber, etwas Muskat, Ginster, grünem Apfel, frisch geschnittenem Gras setzt sich am Gaumen fort. Untermalt von frischer balancierter Säure gefolgt von einem langen fast toastigen Nachhall, der durch die grasigen Noten und die hellen Früchte sehr ausgewogen wirkt. Dieser Wein ruft nach Krustentieren in kräftiger Sauce, Thaisuppe mit Korinader und Bambus oder Paella.
Wein 6 steht da in nichts nach. Hier kommt ein weiterer Pfälzer. Der 2015 Sauvignon blanc vom Weingut Bassermann-Jordan. Sehr grasig in der Nase mit Aromen von Ginster, Holunderblüte, Stachelbeere, Tomatenstrauch und Paprika. Am Gaumen präsentiert sich jugendliche Säure, gefolgt von Mirabelle (unreif), Holunder, Paprika, Kräutern, etwas Eisbonbon und leichtem Schmelz. Der Wein präsentiert sich mittellang, ausgewogen grasig und elegant. Ein wenig Alter könnte ihm nicht schaden.
Als Speisen paart sich ausgezeichnet Geräucherter Schinken und Tomatengelee, ebenso gratinierte Jakobsmuschel auf geschmortem Chicoree, Zander auf der Haut gebraten mit Chili und Oregano, aber auch Risotto mit Meeresfrüchten.
Nun einmal neue Welt. Wein 7 ist 2015 Sauvignon Blanc vom Weingut Ribbonwood, Marlbourough, Neuseeland. Hier präsentiert sich ein eleganter Klassiker in kleinem Preis. Die Nase üppig mit Feuerstein, Paprika, nasser Wolle, Eisbonbon und Cassis. Die grünen Noten bestätigen sich am Gaumen gefolgt von Holunder und schwarzer Johannisbeere und einer zarten fast dropsigen Säure. Im mittellangen Finish eine gute Balance von grünen Noten, Cassis und Drops mit sehr präsenter Säure. Hier passt wohl Sushi, Thunfisch leicht gebraten mit Sesam und sautierten Sprossen, genauso gut ein Käsesoufflee.
Wenden wir uns den Franzosen zu. Wir gehen hier an die Loire, die ungekrönte Königin der Sauvignons.
Wein 8 ist ein Wein, der mich schon lange überzeugt. Ausnahmen bestätigen ja jede Regel.
2014 Domaine de La Renaudie, Tourraine-Chenonceaux AOC
Dieser Wein ist aromatisch, ausgewogen und elegant. So ganz in meinem Sinn.
Auftakt von zarter Fülle. Feuerstein, Paprika und Ginster, etwas Himbeere, weiße Blüten bestärken sich am Gaumen ergänzt von Holunder und zarter Säure. Im mittleren Nachhall präsentiert sich eine gute Balance von Frucht und sanfter Säure. Sehr schlank und zart. Begleiten kann dieser Wein bestens eine Bouillabaisse, ebenso Jakobmuscheln mit Kohlrabi, Vanille und Chili, Fenchel. Ziegenkäsetörtchen mit Rosmarin ist schon menüerprobt, aber auch Spargel mit Morcheln finden hier ein paairing.
Zum Abschluss noch Wein 9 aus dem wohl berühmtesten Teil der Loire, dem Gebiet Sancerre.
2014 „Terroir Silex“ Chateau de Fontain-Audon AOC, Sancerre.
Hier kann ich nun getrost die Vorurteile in Rente schicken. Denn dieser Wein kommt rund und lang daher. Üppige Nase mit Holunder, Stachelbeere, weißer Johhanisbeere ebenso Mango und Mirabellenkompott. Der Gaumen zeigt zunächst eine präsente aber zarte Säure, etwas gelbe Paprika, Mirabelle, Aprikosen (getrocknet) und Majoran. Der Nachhall ist lang mit Schmelz von gelben Früchten, grasig, leicht stahlig mit guter Säurestruktur. Ein guter Begleiter zu Tatar vom Saibling, Sprossen, Sesam und Avocadocreme. Ebenso gebratener Zander mit Sepianudeln, karamelisierten Kirschtomaten, Pinienkernen. Auch Kalbsbraten mit Estragonremoulade steht diesem Wein.
Nach dieser ausführlichen Verkostung vertilgen wir fröhlich aber leicht geschwächt von der Aromen Vielfalt
die Reste des Risottos.
Und leeren mit Vergnügen ein letztes Glas vom Sauvignon blanc.
Aufräumen kann eine spannende Sache sein.
Bezugsquellen:
Feine Weine in der Westadt
Wein 1 ( € 7,80)
Weinhaus Fehser
Wein 3,4,5,7 ( € 7,50 / 14,90 / 11,50 / 12,50)
Wine4friends
Wein 6,8,9 ( € 12,95 / 9,95 / 15,95)
Weingut Bergdolt,Reif&Nett
Wein 2 ( € 9,50)
Das Zusammenspiel von Speise & Wein ist meine Passion.
liebe juliane,
schöner beitrag !
witzig, ich hege das selbe vorurteil bezüglich sauvingnon …
und vor zwei wochen war ich bei a-diehl und bei stefan attmann
sauvignon habe ich da allerdings nicht gekauft 🙂
die drops- und eisbonbonaromen sind halt einfach nicht meins,
ob mit oder ohne risotto.. macht ja nix – es gibt da auch sehr
schöne grauburgunder , riesling und chardonnay´s
freut mich aber, daß ihr einen schönen abend hattet.
so schön kann aufräumen sein 🙂
harald
Hallo Harald,
der Herr Diehl macht aber einen sehr zarten Sauvignon und nicht alle sind so dropsig, wie Du in meinen Notizen lesen kannst.
Es gilt eben manchmal gegen seine Meinung zu verkosten…Sieh an, was sich dabei entdecken lässt.
Gruß, Juliane
ja,ja,
hast ja recht – ich alter ignorant 🙂
letzte woche habe ich einen gewürztraminer probiert – gegen meinen willen 🙂
und wie du sagstest… “ sieh an, was sich dabei entdecken lässt.“
das ist ja das schöne an unserer passion – man ist nie am ende mit den entdeckungen
liebe grüsse
harald
Wie wahr. Wie wahr! Es lässt sich immer wieder Schönes entdecken, wenn man dafür offen ist.
Natürlich hat jeder von uns seinen Geschmack und seine Vorlieben. Und auch das hat so seine Richtigkeit.
Aber manchmal liegt in der Ausnahme der Zauber.
Danke, Harald für Deine immer wieder bereichernden Kommentare.
Juliane