Ingo Konrads. Das Wein-Comedy Buch.

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Er ist der Mann mit dem grünen Schal. Lindgrün wäre die genaue Bezeichnung.
Er ist der Mann des gesprochenen Wortes.
Normalerweise bezaubert er live sein Publikum.
Er ist ein Wein Comedian. Mit feinem Witz und hohem Wissen setzt er Pointen.

Nun hat Ingo Konrads ein Buch geschrieben. Das Wein-Comedy Buch.
Und für sein Vorwort Caro Maurer, Master of Wine, gewinnen können.

Warum ein Wein-Comedy Buch.
Der Autor hat gegen die Flüchtigkeit des Auftritts nun einige seiner sehr witzigen, immer hintergründigen Texte niedergeschrieben. Und es scheint, als habe er ein nie endendes Füllhorn, aus dem er schöpfen kann. Es ist eine Freude, bei einem schönen Glas Wein sich die Worte auf der Zunge zergehen zu lassen.
Und aus feinem Schmunzeln wird oft lautes Lachen.

 

Wie alles anfing.
Es ist das Privileg des Kabarettisten, die lang verdrängten Wahrheiten ans Licht der Welt zu bringen. Und sein Publikum damit zu Verbündeten zu machen. Man fühlt sich erinnert und irgendwie ertappt. So auch bei (s)einer Bekehrung vom Bier- zum Weintrinker.
Ein Auszug.
„Ich kann mich noch gut an den ersten Tropfen erinnern, den ich getrunken habe. Der war schön im Stahltank ausgebaut und hatte keinen Korkgeschmack: Das war ein 1983er Bitburger Pils.
Lassen Sie es uns ruhig zugeben: Auch wir Weintrinker haben fast alle als Biertrinker angefangen. Bier war das Getränk unserer Jugend. Und das, obwohl es uns zu Beginn überhaupt nicht schmeckte. War ja viel zu bitter. […]
Es dauerte noch ein paar Jahre, bis wir den Wein schätzen lernen sollten. Wir mussten reifer werden, ja, gebildeter, älter, stilvoller. Wir merkten bald, dass der Reiz des Weines nicht darin bestand, betrunken zu werden, sondern seine Sinnlichkeit und Einzigartigkeit zu entdecken. […]
Wein ist das interessanteste Getränk auf unserem Globus. Denn nur der Wein ist in der Lage, uns in jenen Zustand der Leichtigkeit und Unbekümmertheit zu versetzen, den nur Spielverderber betrunken nennen.

 

Wein und Liebe.
Ingo Konrads gelingt hier eine herrliche Hommage an eine Männer WG und jugendliches Balzverhalten. Er entführt die Angebetete in ein Lokal weitab dessen, was er sonst besucht. Ein kurzer köstlicher Seitenhieb auf das Verhalten der Kellner, den ich als Gastronomin schätzen kann, führt in die unweigerliche Misere. Und zu ungeahnten betriebswirtschaftlichen Vergleichen.
Ein Auszug.
„Der Kellner verschwand und kam mit der Weinkarte zurück, was sage ich Weinkarte, es war vielmehr ein Kompendium. Dick wie eine Bibel. Mit Goldschnitt. In Leder gebunden. Ich schlug das Opus auf und studierte die Weine. Aber ich fand darin so gar nicht die Tropfen wieder, die ich sonst so trank. Weder den legendären Amselfelder noch die liebliche Schwarze Mädchentraube. Indes schaute mir Anja bewundernd zu. Ganz ehrlich: Der Kellner hätte mir genauso gut das Telefonbuch von Moskau im Original in die Hand drücken können. Schweißperlen traten mir auf die Stirn. Irgendwann schaute ich nur noch auf die Preise und entschied mich für einen Wein im eher mittelpreisigen Segment. Und mittelpreisig hieß bei meiner damaligen studentischen Kaufkraft ungefähr der Gegenwert von zwei Kisten Bier.[..]
Der Kellner öffnete jetzt gestenreich die Flasche und goss mir ein. Aber nur ein bisschen, der Geizhals. So gut anderthalb Zentimeter. Bei uns in der WG hätten wir den rausgeschmissen. Wer glaubt der denn eigentlich, zahlt heute Abend sein Trinkgeld?  Dann blieb der Typ stocksteif neben unserem Tisch stehen und starrte mich an. „Freundchen“, dachte ich. „Ich habe Zeit. Ich kann warten!“ Schließlich habe ich aber doch noch probiert, und was soll ich sagen? Tadellos. Der Wein schmeckte wirklich toll. Den hatte ich gut ausgesucht. Jetzt bekam auch Anja was ins Glas. […]
Kurz vor dem Dessert erschien der Kellner wieder und stellte uns unaufgefordert zwei Probiergläschen mit Trockenbeerenauslese hin. Aufs Haus. Nur mal zum Kosten. Anja war total begeistert, das war genau IHR Wein. Da blieb mir nichts anderes übrig, als davon zwei Gläser zu bestellen. Diesmal entsprach der Gegenwert bei meiner damaligen studentischen Kaufkraft ungefähr drei Kisten Bier.  […]
Zwei Wochen später habe ich erfahren, dass Anja jetzt einen neuen Freund hat. Den Kellner. Da sieht man wieder mal, wie sehr der Wein in der Lage ist, zwei Menschen in Liebe zusammen zu bringen. Später habe ich die Geschichte meinen Mitbewohnern in der WG erzählt. Sie sagten nur, dass ich die fünf Kästen Bier besser mit ihnen getrunken hätte. Tom, unser BWL-Student, erklärte mir, dass es in der Wirtschaftssprache einen festen Ausdruck dafür gebe, für das, was ich an dem Abend erlebt hatte. Man nennt es klassische Fehlinvestition.  Man könnte es auch einfach Dummheit nennen.“

Man muss sehr genau lesen oder hineinhören in diese Texte. Dann ist es vollendeter Genuss.

 

Thementag „ Wein“ im deutschen Fernsehen.
Besonders gelungen hintergründig und humorvoll finde ich auch dieses Kapitel.
Ein Auszug.
„ARD, 21:00 Uhr, hier läuft derweil MONITOR, unter anderem mit diesem Thema: Der Berg ruft: Enthüllungsjournalist Günter Wallraff mischt sich unter eine Gruppe polnischer Lesehelfer an der Mosel und klagt die unmenschlichen Arbeitsbedingungen im Wingert an. So müssen etwa auch Arbeiter mit Höhenangst in die Steillagen klettern. Das Tragische ist aber: Wallraff wird schon am ersten Abend enttarnt, weil er auf der Pritsche des Unimogs bei der Heimfahrt zum Weingut das Ave Maria nicht auf Polnisch mitbeten kann und auch keinen Wodka trinken will.
RTL, 22:00 Uhr: „Das Dschungelcamp“ Heute findet die erste Ekelprüfung statt: Die Insassen müssen Discounterwein aus dem Tetrapak trinken. Wer hält durch? […]
Eine gute Nachricht noch zum Schluss. Bald wieder im Programm: Kerner.“

 

Foto Jörg Heupel

 

Viele originelle Kapitel können hier leider nicht angeführt werden.
Lediglich erlaube ich mir einige Verweise auf den Ideenreichtum des Kabarettisten.

Meine Lieblingskochbücher.
„Nur junges Gemüse- mit Silvio Berlusconi hinterm Herd, erschienen bei Girls on Demand, London/ Paris 2013“

Das ultimative Wein Horoskop.
„Löwe. Das Glück liegt in den kleinen Dingen. Wie wäre es mit einem Pikkolo?

Ein Wilder Ritt durch deutsche Weinorte.
Diese Satire ist ein Ausbund an Feinsinnigkeit. Konrads erzählt eine Alltags Geschichte, in der er spielerisch die Namen bedeutender Weinorte deutscher Anbaugebiete grammatikalisch recht frei in die Erzählung einbaut.

 

 

Sehr gelungen auch ist die Episode
Feiern gestern, heute…und morgen
Eine Zeitreise durch Wohnzimmer, Musikrichtungen, Kleidungsstile und Weingeschmack.
Von 1969 bis 2040.  Auch hier tritt wieder zutage, dass Konrads seine Leser fordert, ihr Wissen voraussetzt.
Und als Kind der 60er Jahre natürlich mit der Erinnerung spielt, um diese in die Zukunft fortzuschreiben.

EinfachWein

Warum braucht man das Weinanbaugebiet Sauerland.
Ein besonderes Vergnügen hat mir der Artikel über das Weinanbaugebiet Sauerland bereitet, das sehr gut zeigt, wie der Autor Witz und Phantasie in lockerer Art kombiniert. Nicht, ohne uns Leser damit herauszufordern. Nach der Lektüre dieses Artikels braucht man das Weinanbaugebiet Sauerland unbedingt.

Die Artikel über weitere, dieses Mal real existierende Weinanbaugebiete, haben mir persönlich sehr gefallen.

 

Der Weinproben- Liveticker.
Erfrischend anders kommt Konrads Weinprobe im Stile eines Fußballspiels daher. Und ist ein weiteres Beispiel von Vielfalt der Wein-Comedy im Buch.
Ein Auszug.
„Wir melden uns aus dem Innenhof des renommierten Pfälzer Weinguts Adalbert Hupf in Flemmesheim. Die Gäste sind eingetroffen und erwarten freudig das Anstoßen mit den Gläsern. Und da geht es auch schon los.
1. Minute
Adalbert Hupf verteilt die ersten Probiergläser. Die Presse überschlägt sich ja in den letzten Wochen über den Aufsteiger des Jahres. Jetzt greift der Winzer zum ersten Tropfen, zu einem trockenen Weißburgunder.
6. Minute
Begeisterung bei den Gästen. Hupf zeigt eine makellose Leistung. Aber das geht noch besser. Jetzt hilft auch seine Tochter auf der linken Seite mit aus. Ein Silvaner kommt ins Spiel.
11. Minute
Tor! Tor! Hupf landet den ersten Treffer! Ein deftiger Witz trifft direkt unter die Gürtellinie. Das war eindeutig Abseits. Aber das Publikum ist begeistert und stimmt Fangesänge an.
[…]
43. Minute
Endlich die nächste Hereingabe: ein Doppelpass aus Spätlese und Tresterschnaps, die perfekte Kombination. Die Gäste stehen zunächst defensiv, langen dann aber beherzt zu.
[…
]
77. Minute
Während einer kurzen Pause reicht die Winzertochter Mineralwasser an die Gäste. Das tut gut. Kommt jetzt die Energie zurück ins Spiel?
81. Minute
Tatsächlich! Die Gäste berappeln sich, gehen schnell nach vorn und fordern eine neue Runde.
86. Minute
Und da ist er: Der Abschlusswein! Eine gut gereifte Trockenbeerenauslese. Da zeigt Hupf noch einmal, was er alles draufhat: Herrliche Aromen, schönes Säurespiel, ein würdiger Schlusspunkt.
90. Minute
Das Spiel ist aus! Doch die Gäste geben sich noch nicht zufrieden und verlangen eine Verlängerung. Hupf gibt drei Minuten Nachspielzeit. Freude in Flemmesheim!
[…]
93. Minute
Der Abpfiff. Vorbei, vorbei! Adalbert Hupf notiert Bestellungen in sein Blöckchen.

 

Das Wein-Comedy Buch.
Ein völlig neuer Zugang zum Wein.

Sehr schöne Episoden hat Ingo Konrads hier zusammengetragen.
Sie fordern Wissen und jonglieren gleichzeitig an allen Fronten.
Sie sind immer frisch und voll verblüffender Querverbindungen.
Einzig die Gedicht- Einlagen fand ich persönlich nun nicht so gelungen.
Doch das vermag der geneigte Leser selbst entscheiden.

Die Finesse, mit der Ingo Konrads sich der Weinwelt und ihrer Begriffe bedient und gleichzeitig zweckentfremdet, sind ein großer Lesegenuss.

Großartige Ideen vereinen Sprachfertigkeit und witzigen Feinsinn.

Dieses Buch gehört in jedes Weinregal!

 

Ingo Konrads
Das Wein-Comedy Buch
Mit einem Vorwort von Caro Maurer
Verlag: tredition GmbH, Hamburg
€ 18,99  print
€  5,99  e-book

 

Foto Jörg Heupel

 

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Original Zitate sind als solche gekennzeichnet und dem Buch mit freundlicher Genehmigung des Autors entnommen.
Ich danke ebenso für die Überlassung der Fotos.
Ich danke dem Verlag tredition GmbH für das Rezensions Exemplar.

 

Die WeinPlanerin. Wein und Speise. Korrespondierend oder Konträr.

 

 

 

 

 

2 Kommentare zu “Ingo Konrads. Das Wein-Comedy Buch.

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