Egon und der Schaumwein.
Das Telefon klingelt. Es schreit. Es schrillt eindringlich.
Ich kann ihn rufen hören.
Egon winkt mir förmlich durch den Hörer zu.
Ich lese gerade den neuen Krimi eines deutschen Weinjournalisten, der kurzweilig ist und in der Champagne spielt, bin also entspannter Laune.
Ergreife den schrillenden winkenden Hörer und frage Egon artig nach seinen Wünschen, denn wie Ihr Euch erinnert, hat Egon immer Wünsche, wenn er durch den Hörer winkt.
Was ist das wichtigste am Schaumwein, fragt er.
Perlen.
Aha.
Ja, die Perlage, wiederhole ich.
Egon atmet. Irgendwie scheint meine Antwort ihm nicht zu gefallen.
Und beim Champagner?
Die Cuvée.
Aaach sooo. Egon atmet.
Bester, unterbreche ich das Schweigen, hast Du irgendwelche bahnbrechenden Neuigkeiten in einem Buch gelesen oder warum diese Frage.
Ich versuche, den Schaumwein zu ergründen. Der fröhlich winkende Hörer wird zu einem matten flatternden Schilfrohr.
Na schön, antworte ich, dann trinken wir ein wenig kreuz und quer.
Neeeeiiin, ruft Egon. Ich brauche erst einmal strukturierte Anhaltspunkte.
Seit wann brauchen wir Struktur beim Trinken, lache ich.
Weil ich mal wieder als Experte trumpfen muss, mault der Hörer.
Wie konnte ich das vergessen. Egon hatte seinerzeit mit einer Spätburgunderprobe bei einem Firmenevent beeindruckt und nun sollte das Ganze zu einer Weihnachtsfeier wiederholt werden, offensichtlich mit Prickelndem.
Da Egon seinem eigenen Wissen nicht vertraut, löchert er lieber mich.
Und da Egon mein lieber ungeduldiger Freund ist, werde ich ihm auch diesmal auf die Sprünge helfen. Aber nicht ganz uneigennützig. Ich habe da das eine oder andere Fläschchen im Gedächtnis, das ich lange schon verkosten wollte. Wann findet sich denn mal so leicht ein Sponsor.
Bester, sag`s doch gleich. Mein Ton ist leise und verständnisvoll als spräche ich zu einem kranken Freund.
Die Firmenprobe naht in Riesenschritten, richtig?
Der Hörer atmet auf und wandelt sich zurück zum fröhlich winkenden Individuum.
Fein, sage ich, dann lass uns eine Liste machen und an den Einkauf gehen.
Mit einer Bedingung: Prickelnd nur nicht Champagner.
Das folgende Hin und Her mit Egon kürze ich ab, indem ich erkläre, dass Champagner sowohl preislich als auch in der Machart eine andere Liga ist. Und dass es zu viel wäre, das alles zu vereinen. Maulend trollt er sich schließlich in seinem Hörer.
Um unser Experiment nicht zu sehr von Fremdaromen zu beeinflussen, verzichten wir diesmal auf das Kochen und statten uns lediglich mit Weißbrotsorten und Brioche aus. Ein wenig Salz und Butter sind auch mit von der Partie. Allerdings hätten wir doch so einiges dazu verspeisen können….
Hier sind die Perlen.
Wir beginnen an der Mittel Mosel mit einem
2013 Riesling Cremant Brut Nature vom Weingut Arens.
Der Wein liegt 18 Monate auf der Hefe und zeichnet sich durch seine ausserordentliche Cremigkeit aus.
Viel Aprikose, Holunder, etwas Haselnuss in der Nase. Am Gaumen sehr cremig mit sanfter doch präsenter Perlage, die Fruchtaromen der Nase werden ergänzt duch reife Birne. Im mittleren Nachhall eine gute Balance zwischen Frucht und feinperliger Säure, etwas nussig.
Die Holundernoten geben dem Wein etwas Frisches und prädestinieren ihn als guten Allrounder. Auch Käsegebäck, Lachstatar mit Avocadocreme, Cesar’s Salad, Frischkäse mit karamellisierten Zwiebeln sind gute Begleiter.
Hier ist viel cremiger Inhalt zu einem perfekten Preis! Alltagsliebling!
Es folgt die südliche Mosel mit einer Burgunder Cuvèe.
Cremant Liaison brut vom Weingut Stepan Steinmetz.
Cuvée aus Weiß- und Spätburgunder.
Die Nase punktet mit Brioche, Mirabelle, weißem Pfirsich und etwas Limette.
Am Gaumen leicht mineralisch mit Nüssen, Nektarinen, Pfirsich, Honigmelone, Buttertoast.
Kräftige Perlage mit viel Schmelz.
Guter Begleiter zu Käsesoufflee mit Quittenchutney.
Unbedingt zu Desserts von weißer Schokolade oder Mandelkuchen.
Eine absolute Entdeckung!
Rasch übergeschwenkt in die Pfalz mit
ng3-2014 Sonnenberg Weißer Burgunder brut
vom Weingut Nauerth-Nägy.
Hier haben wir Heu, etwas Firn, reifen Apfel und frische Birne in der Nase, verbunden mit Mandel und Muskat. Am Gaumen eröffnet eine kräftige Perlage, die abgelöst wird von reifem Apfel, weißen Blüten, etwas Drops.
Im Nachhall filigranes Apfel-Birnen-Muskatfinish mit singulärer Säure.
Guter Apero. Auch Oliventapenade mit Roggenbrot oder Russische Eier, Kaviar und Ciabatta sind ein guter Begleiter.
Die Säure steht ein wenig gegen die Frucht. Für den klassischen Sekttrinker.
Wenden wir uns nach Frankreich mit
Cremant D’Alsace brut AOC der Cave de Turckheim.
Eine Cuvée aus Auxerrois und Pinot Blanc.
Nase von Brioche, Holunder, geriebenem Apfel, Mango, Orangenceste.
Am Gaumen zarte Perlage verbunden mit Noten von reifem Apfel, kandierten Früchten eine Spur von Haselnuss.Im Nachhall rund und beständig in seinen Fruchtaromen mit andauernder aber sehr ausgewogener Perlage.
Hier ist die Speisenpalette lang: Tatar von Aubergine mit Rauchaal und Focaccia; Marinierte Pilze, Gegrilltes Gemüse in sanftem Öl; Salat von Garnelen, Semmelbrösel, Fenchel, Kartoffeldressing.
Zugegeben: Dieser Schaumwein hat mich besonders beeindruckt, weil ich nirgendwo sonst diese reifen Apfelnoten mit einer runden Perlage gefunden habe. Es ist eigen. Man muss das mögen.
Nun noch zwei Klassiker nachgelegt.
2012 Bouvet Tresor Brut AOC von Bouvet Ladubay, Saumur, Loire
Cuvée aus Chenin blanc und Chardonnay.
Noten von geröstetem Toastbrot, Mandeln, Orangencesten und weißen Blüten in der Nase. Am Gaumen leicht hefig, abgelöst von würziger Cremigkeit und frischer Limette. Sehr feine andauernde Perlage.
Im Nachhall lang mit Limettensäure und Nussigkeit.
Als Speisen empfehlen sich Canapées mit Räucherlachs, Tomaten-Zwiebel-Chutney, Schmand & Kaviar; Taleggio. Ebenso Austern, Salat von weißem Spargel mit Estragon.
Fein nuancierte Komposition von Aromen und Mineralik.
Cuveé Imperial Brut von Berlucchi, Franciacorta DOCG, Lombardei
Cuvée aus Chardonnay und Pinot Noir.
Üppige Nase von Brioche, Hefe, weißen Blüten, kandierten Früchten, hellem Karamell.
Am Gaumen Auftakt von weicher Perlage mit Limettenceste, gefolgt von Quitte, Aprikose, Pfirsich, Blüten, etwas hefig, Weißbrotkruste, gerösteter Haselnuss.
Im Nachhall ausdauernde aber weiche Perlage, cremig mit leicht nachgedunkeltem kandiertem nussigen finish.
Hier braucht es etwas kräftigere Speisenbegleiter. Gratinierte Austern mit frittierten Meeresalgen (Pass Pierre), besser noch Gratinierte Jakobsmuscheln mit Safranschaum oder Muschelrisotto mit Grünspargel. Auch eine Vorspeisenplatte mit Mortadella, Taleggio und Tomatenbutter paairen gut.
Ein kleines Juwel. Ein absolutes MUST DRINK!
Wie immer war dies eine fröhliche Entdeckungsreise, die großen Teilen dem Zufall geschuldet ist.
Und nur ein Teil der Probe ist hier beschrieben.
Egon hat jedenfalls schwer gepunktet beim Firmenevent.
Bezugsquellen:
Riesling Cremant Brut € 13,60 Weingut Arens
Cremant Liaison € 11,00 Weingut Stephan Steinmetz
Ng3 € 11,00 Laibach und Seeger
Cremant d‘ Alsace € 10,80 Feine Weine
Bouvet Tresor € 13,80 Feine Weine
Berlucchi Cuvee Imperial € 17,80 im internet
Dies ist mein Beitrag zur Weinrallye #106.Perlen.
Der Ausrichter ist mein Blog EinfachWein.
Die Weinplanerin. Wein und Speise. Korrespondierend oder Konträr.
Hier geht es zur Zusammenfassung.
Witziger Text, appetitweckender Content.
Santé!
liebe juliane,
sehr schöne egon-geschichte !
wie immer auch die weinbeschreibung auf den punkt (ein paar der schäumlinge kenne ich ja)
besonders der freudsche „Lachtatar“ zum guten arens – sehr schön 🙂
danke für die kurzweiligen minuten !
bis bald
harald
Der Freudsche Lachtatar ist nun leider Geschichte im Egon Universum.
Er wird dennoch hier in den Fußnoten weiterleben…