Es sind Zufälle, die das Werden des Winzers Daniel Rhein bestimmen.
Zufälle und eine Geschichte von Vätern und Freunden.
Es ist eine Geschichte von Unbeirrtheit, leisen Tönen und klarem Sachverstand.
Ein strahlender Herbsttag. Ich fahre ins Kraichgau, genauer gesagt nach Malsch.
Denn hier hat vor nicht allzu langer Zeit ein junger Winzer ein renommiertes Weingut übernommen.
Wie sich gleich herausstellt, war seine Rückkehr an diesen Ort am Tag genau vor zwei Jahren.
Am 1. November 2015. Dass es eine Übernahme wird, weiß der Beteiligte in diesem Augenblick noch nicht.
Das folgt im Sommer 2016.
Daniel Rhein hat sich den Nachmittag für mich frei geschaufelt, auch wenn er kürzlich seine Lese abgeschlossen hat. Und sozusagen erst im Morgengrauen von einer großen Wein Veranstaltung zurückgekehrt ist. Die von den Winzern der Weiße Burgunder Charta ausgerichtet wurde, zu deren Gründern das Weingut gehört.
„Na, die Stimme ist schon wieder da“, sagt er und lacht. Es lachen vor allem leuchtend braune große Augen, die unglaublich wach und klug aussehen. Die Augen prägen diesen Menschen. Und ich glaube, sie helfen ihm auch zuweilen, eine anfängliche Zurückhaltung zu überwinden. Wenn er die Menschen kennt, oder über seinen Wein sprechen kann, dann ist das schnell vorbei. So war es auch bei mir.
Heute also wird er mir sein Weingut zeigen, das er seit Sommer 2016 eigenverantwortlich führt, auch wenn der Gründer, Bernd Hummel, noch immer beratend und auch tatkräftig im Verkauf zur Seite steht.
Mich interessiert, abseits der Weine, wie sich ein junger gut ausgebildeter Winzer in einem über Jahrzehnte sehr persönlich geprägten Betrieb etablieren kann.
Es ist erstaunlich einfach.
Schon sind wir bei der Geschichte von Freundschaft und von Vätern.
Es ist ein Übergang wie ihn auch andere Weingüter verzeichnen, in denen Söhne von den Vätern übernehmen.
Mit einem kleinen Unterschied. Diese Geschichte hat keine biologischen Wurzeln.
Denn hier haben Vater und Sohn sich quasi ausgesucht.
Verbunden durch den Zufall, der diese Geschichte schreibt.
Sektgut
Zur Begrüßung schenkt Daniel Rhein mir seinen Secco vom Weißburgunder ein.
Mattierte weiße Flasche und neuartiges Etikett. Die Hummel, welches jedes Etikett ziert, schwirrt ein wenig hintergründig. Auch wenn für meinen Geschmack beim Secco die Kohlensäure zu gering ist, ist das hier ein perfekter Apero, ein Gute Laune Drink mit Noten von grünem Apfel, weißen Blüten und einer nussigen Cremigkeit am Gaumen.
1.500 Flaschen hat er produziert in diesem Jahr. Aufgrund des Erfolges mit dieser Linie wird es im nächsten Jahr auch einen Rosé Secco geben. Der Secco ist das einzige Erzeugnis, das nicht im Weingut fertig gestellt wird. Der trocken ausgebaute Wein wird bei einem Lohnhersteller im Tankdruckverfahren mit 2bar Kohlensäure versehen.
Das Weingut Hummel ist auch ein Sektgut. Sie machen Sekt aus Riesling, Chardonnay und Rosé vom Spätburgunder und Pinot Meunier. Die Trauben für den Riesling werden in einem ersten Lesedurchgang gewonnen, so dass die Trauben ausreichend Säure haben. Der Rosé wird aus dem Saftabzug vom Spätburgunder hergestellt, man nennt das auch Saignée Verfahren.
Beim Sekt wird Daniel Rhein künftig experimentieren. Eine Cuvée aus Riesling mit Muskateller und Sauvignon blanc schwebt ihm vor. Man darf gespannt sein. Auch einen Rotsekt vom Spätburgunder wird es geben.
Sie rütteln und degorgieren selbst. Ich bin erstaunt, all diese Arbeit? Ach, sagt er, Rütteln geht schnell.
Schon greifen seine Hände imaginär an die Flaschen, er darf die Ordnung ja nicht durcheinander bringen, aber ich sehe, wie das so geht, wenn man den Dreh raus hat.
Er hat im Studium ein eigenes Sektprojekt gehabt, frühzeitig konnte er Erfahrung sammeln.
Im ehemaligen Stall stehen die Rüttelpulte. Der Rest des Sektes lagert im Weißweinkeller.
Der liegt am andern Ende des Gebäudes. Die Süßreserve lagert in Glasballons ebenfalls beim Weißwein und die Versanddosage an der Füllanlage. Platz ist hier überall Mangelware, auch wenn das Weingut groß ist.
Probieren wir den Sekt Auguste, bei dem August Bender, der legendäre Schwiegervater ist Namensgeber ist.
Auguste Riesling Sekt brut
24 Monatiges Hefelager
Hefenase mit Brioche, viel Quitte, Gelbem Apfel, reifen Aprikosen, Muskat.
Frische Säure am Gaumen abgelöst von reifer Frucht, präsente cremige Perlage.
Leicht mineralisch im Nachhall mit ausgewogener Perlage, Aprikosen und toastigen Noten. Sehr lang.
Ein perfekter Solist. Ebenso ein guter Speisenbegleiter zu Tatar vom Thunfisch mit Sesam und Avocado, Speckmuffins mit Tomatenbutter oder Tranchen vom Rosa Kalbsbraten mit Estragonschmand.
Ein schöner frischer Auftakt, der Lust macht auf mehr.
Entstehung und Veränderung
7ha hat das Weingut heute im Eigenanbau, 2ha werden zugekauft. Die weißen Rebsorten reichen von Sauvignon blanc über Weißburgunder, Auxerrois, Grauburgunder, Riesling zum Chardonnay und etwas Muskateller. Im roten Bereich finden sich neben des raumgreifenden Spätburgunders auch Syrah, der eine Sonderstellung hat, alle Cabernet Sorten, Schwarzriesling, Merlot, Regent und natürlich Lemberger. Der 2015er wurde soeben als bester deutscher Lemberger mit 96 Punkten im Falstaff ausgezeichnet. Im Gegenzug blieb das Weingut in diesem Jahr beim Vinum Rotweinpreis ungekrönt.
Daniel Rhein ist zuversichtlich, dass sich das ändern wird. Der Eichelmann listet ihn inzwischen mit dreieinhalb Punkten und der Gault Millaut mit einer Traube.
Zufall begleitet die Entstehung des Weinguts Hummel.
Bernd Hummels Schwiegervater besitzt einen Gemischtbetrieb mit Weinbau, Obstwiesen und einer Schweinezucht. Das ist üblich für die Gegend. Vor allem Kirschen bringen gute Gewinne beim Verkauf an Konditoreien.
Die Weine werden weniger erwähnenswert in der örtlichen Genossenschaft verarbeitet.
Zufall auch, dass bei einem Brand der benachbarten Tabakscheune das Gut mit seinen Ställen nicht angegriffen wird. Nur ein Grünstreifen trennt die Gebäude.
Bernd Hummel, der sich gern dem Weinbaustudium gewidmet hätte, ist nach seines Vaters Wünschen Student der Volkswirtschaft. Da wird der Schwiegervater krank und will sich von seinen Rebstöcken trennen. Das ist Mitte der 80er Jahre. Bernd Hummel bricht sein Studium ab und übernimmt den Betrieb mit seinen Reben.
Der Autodidakt Hummel lernt schnell und unternimmt auch viele Reisen, vor allem ins Bordeaux, um dort Erfahrungen zu sammeln. Aus dieser Zeit stammen Kontakte und Freundschaften zu Kunden, die es bis heute gibt. Waren die 80er Jahrgänge des Bernd Hummel noch schwankend, so legt er 1990 seinen ersten Burgunder in ein Fass. Von nun an bestimmen Kontinuität und Qualität das Schaffen des Bernd Hummel.
Das Weingut wächst. Ein zweites Haus im Vorgarten entsteht. Um den ehemaligen Hof wird eine Mauer gezogen und später auch ein Dach gesetzt. Eine kleine Kuriosität, denn Daniel Rheins Kelterhalle befindet sich auf einem unebenen bepflasterten Grund.
Einzig der Barrique Keller, der auch in diesen Mauern entstand, hat einen graden Boden.
Dieser ist lange schon zu klein, so dass die Fässer zwei- bis dreireihig übereinander stehen.
Das macht viel Mühe. Aber an Erweiterung denkt er erstmal nicht.
Er will sich konsolidieren. Bestehendes erhalten, nach und nach ein wenig Experimentieren, seinen eigenen Stil einbringen. Ich frage mich, ob sein Stil nicht in den letzten Jahren schon in die Weine eingegangen ist. Denn schließlich besteht seit 2011 eine enge Bindung zwischen Bernd Hummel und Daniel Rhein.
Werdegang
Der Werdegang von Daniel Rhein führt uns zurück zur Geschichte von Vätern und den Söhnen.
1989 geboren im Fichtelgebirge in Oberfranken, weit weg vom Weinbau.
Sein Vater ist Architekt. Lehrer für Gestaltung und Steintechnik an der Staatlichen Fachschule in Wunsiedel. Bei einer Bildungsreise trifft Heinrich Rhein den Steinmetz und Baumeister des Dresdner Zwingers Ulrich Aust. Die beiden Männer werden noch zu Mauerzeiten Freunde. Als Ulrich Aust früh stirbt, nimmt Heinrich Rhein sich des Aust Sohnes Friedrich an. Der zehn Jahre ältere Aust wird für Daniel Rhein eine Art großer Bruder. Daniels Vater vermittelt Friedrich eine Lehre an der Dombauhütte in Köln. Friedrich kümmert sich in dieser Zeit auch um den Hobby Weingarten seines verstorbenen Vaters. Nach Beendigung der Lehre geht er zurück nach Sachsen und gründet das Weingut Karl Friedrich Aust. Der 16 jährige Daniel Rhein wird auf Vermittlung von Aust in seinem ersten Praktikum auf Schloss Wackerbarth mit dem Weinvirus infiziert.
Immer wieder ist er auch auf dem Weingut des großen Bruders Friedrich Aust zu finden.
Nach dem Abitur macht er ein weiteres Praktikum in Franken und geht im Wintersemster 2008 nach Geisenheim zum Weinbaustudium. Während des Studiums arbeitet er im Weingut Krone in Assmannshausen und lernt hier viel an Praxis, die das Studium unterstützt.
2011 fehlt Daniel Rhein zum Abschluss seines Bachelors nur noch das Abschlusspraktikum. Doch alle Bewerbungen, die er schreibt, münden in Absagen. Ob es wohl daran liegt, dass er ein Quereinsteiger ist? Bruder Friedrich weiß Rat und greift zum Telefon. Wenige Stunden später ist Daniel Rhein auf dem Weg nach Malsch. Zu Bernd Hummel. Und seinem Praktikum.
Und hier beginnt nun die Geschichte zwischen dem selbstgewählten Vater und dem Sohn.
Als er 2012 in Gießen sein Masterstudium aufnimmt, kehrt er sooft als möglich zurück nach Malsch. Tauscht sich mit Bernd Hummel aus, nimmt an Verkostungen teil, bleibt nahe an den Weinen.
Fast unnötig wäre, zu erwähnen, dass bei der Bekanntschaft von Aust und Hummel auch der Zufall Pate stand.
2015 im Frühjahr erfährt der frisch absolvierte
Master of Science Oenologie,
dass seine Bewerbungen wieder nicht gut ankommen.
Nun scheint es, als sei er überqualifiziert.
Er findet letztlich eine Stelle in Österreich im Kamptal beim Weingut Arndorfer. Auch wenn er hier viele namhafte Winzerpersönlichkeiten kennen lernt, scheint diese Stelle für Daniel Rhein ein Kompromiss. Denn seine Weggefährtin Lisa, die ihm vor Jahren in den Rheingau folgte, findet in Österreich keine Arbeit. Sie bleibt in Wiesbaden.
Kurze Zeit später ruft Hummel bei ihm an.
Ob Daniel nach der Lese zu ihm kommen wolle.
Als Kellermeister. Zu Überlegen gibt es hierbei Nichts.
Im Sommer 2016 verabschiedet sich Bernd Hummel mit 65 Jahren in den Ruhestand. Und übergibt das Weingut gänzlich in die Hände seines Kellermeisters, nun Nachfolgers. Daniel Rhein.
Ausbau
Zufall begleitet die Entstehung der Etiketten. Bernd Hummel hatte eine klare Vorstellung über den Schriftzug auf seinem Etikett. Diesen setzt ein befreundeter Lithograph mittels Airbrush Technik um. So entsteht der Name mit der fliegenden Hummel. Dass die Anordnung der Bezeichnungen innerhalb des Kreises nach dem klassischen sogenannten Goldenen Schnitt der Malerei fungiert, entdeckt Daniel Rheins Vater, der Architekt. Dies ist nun, wie alle Seiten schwören, wirklicher Zufall.
Zufall ist auch, dass er in diesem für viele Winzer extrem schwierigen Jahr Glück mit dem Wetter hatte. Kaum Frostschäden bis auf den Muskateller. „Wir haben vielleicht nicht das hochwertigste Lesegut, aber gutes.“ Sagt er und ergänzt, dass dies der Vorteil eines Wein- und Sektgutes ist. Die Weine mit viel Säure sind für den Sekt perfekt. Und wenn es in diesem Jahr dann keinen Reserve Wein geben wird, dann ist das so. Doch es ist viel zu früh, das zu entscheiden.
Kein Zufall sind Daniel Rheins klaren Vorstellungen.
Warum er wie Wein macht.
Die Basisweine für ein breites Publikum.
Hier soll nicht die Kunst des Winzers im Vordergrund stehen, sondern der Geschmack und die Fruchtigkeit der Weine. Deshalb auch ein breiter Rebsorten Spiegel.
Die Rotwein Raritäten, von denen sie dann ganze Fässer an Weinenthusiasten verkaufen.
Die macht er nach seinem eigenen Geschmack.
Allerdings wird er nicht müde, zu betonen, wie wichtig der Austausch mit Bernd Hummel ist.
Hier wird sich sein Stil in den folgenden Jahren sicher noch präzisieren.
Was sich im roten 2015er Spätburgunder Jahrgang schon andeutet, ist dicht und stoffig, mit ausgewogenem Tannin und feiner unterstützender Säure.
Die 2012er Reserven, bei deren Ausbau Daniel Rhein während seiner ersten Zeit im Weingut maßgeblich beteiligt war, haben große Kraft und Eleganz.
Die weißen Burgunder aus dem 2016er Jahrgang sind fruchtbetont, klar, mit einer guten Portion Frische. Das liegt am reduktiven Ausbau. Sie werden unter CO2 gehalten bei einer Maischestandzeit von bis zu acht Stunden. Das macht die Weine fruchtbetont. Allerdings zu Beginn auch etwas verschlossen. Sie brauchen nach der Füllung manchmal ein halbes Jahr, bis sie sich öffnen.
Nicht alle, denn ich hatte im Juni schon manch guten Eindruck von den Weinen.
Gespannt bin ich auf den Riesling, der eine 24stündige Maischestandzeit hatte.
Beim Weißwein wird nur ein kleiner Teil im Fass ausgebaut. Raritäten aus Chardonnay oder Sauvignon blanc, die gute Speisenbegleiter sind. Die nächsten Jahre will er auch mit Weißburgunder im Barrique arbeiten, dafür hat er in diesem Jahr eine Junganlage gepflanzt.
Beim Rotwein erfolgt der gesamte Ausbau im Fass. Die Rede ist hier von alten und neuen Barriques.
Hier entscheidet der Winzer nach dem Geruch des Vorjahres pro Fass, was er in dieses füllt.
Daraus ergeben sich zuweilen erstaunliche Unterschiede, doch dazu kommen wir beim Dreifach R.
Er arbeitet mit Reinzuchthefen und lässt den Wein ruhen, solange die Hefen gesund sind. Fängt die Hefe an, zu sterben, wird der Wein getrennt. Das ist sensorisch wie zeitlich intensiv, führt aber zu klaren aromatischen Weinen.
Verkostung Weiße Burgunder
2016 Auxerrois trocken
Malscher Ölbaum
Die Nase eröffnen Mirabelle, weiße Blüten, gereifte Aprikose. Am Gaumen cremig mit Noten von Brioche, Muskat, Mirabelle, mit feiner fast moussierender Säure. Im Nachhall Frucht mit leichten Muskatnoten.
Das ist ein Wein für jede Gelegenheit.
Als Speisen empfehlen sich Vitello Tonnato. Risotto mit Krebsfleisch. Spargel.
2016 Charta Cuvée Kabinett trocken
Malscher Ölbaum
60% Weißburgunder, 10% Chardonnay, hälftig aus dem Barrique, Auxerrois und Grauburgunder
Reife Birne, Quittengelee, Weißbrot, weißer Pfeffer eröffnen die Nase.
Der Gaumenauftakt ist geprägt von Birne, etwas Sternenfrucht, Akazienhonig, Quitte, Pfeffer, Bittermandel. Leichte, fein strukturierende Säure steht im Dialog mit Cremigkeit. Im Nachhall schmelzig, fast dunkel.
Dieser Wein braucht Luft. Dann erst entfaltet sich die Aromatik.
Die Speisenbegleitung ist vielseitig. Nudeln mit Lachs und Oregano.
Fischragout mit frittierter Süßkartoffel. Geschnetzeltes vom Huhn mit Curry und Sprossen.
2016 Grauburgunder Kabinett trocken
Malscher Ölbaum
Muskat, Ananas, Honigmelone eröffnen die Nase. Leicht hefige Noten und Tabak.
Am Gaumen viel Schmelz, breite Fruchtaromen werden ergänzt durch Minze, grüne Nüsse.
Im Nachhall leicht ausladend mit feiner Frische.
An Speisen wähle ich Kalbssteak mit Morcheln und Bandnudeln. Kabeljau mit Linsen und Brokkoli.
Betrieb und Keller
Der Betrieb ist klein und doch recht groß. Zwei feste Mitarbeiter im Außenbereich sind zu verzeichnen. In diesem Jahr hat Daniel Rhein einen Auszubildenden, im nächsten Jahr kommen zwei weitere dazu. Eine Auszubildende kommt aus Bielefeld, auch das ist eine Gegend, in der Weinbau nicht vorhanden ist. Sie hat sich das Weingut Hummel ausgesucht, weil deren Azubis konstant über Jahre die Sieger der Landesmeisterschaft sind. Zum Praktikum war sie schon da.
Dem Azubi aus dem zweiten Lehrjahr gibt der Winzer nun für dessen Arbeitsprojekt seinen geliebten schwer zu handhabenden Syrah. Ich kann kaum betonen, wie ihn das adelt. Er macht es anders. Sicher im Gedenken daran, wie schwer es für ihn selbst war.
Zwei Arten Böden haben die Lage Rotsteig und Ölbaum.
Im Rotsteig ist es steinig, trocken, eisenhaltig. Aber durch den hohen Steinanteil in tieferen Schichten hat es genug Wasser. Das gibt den Rotweinen das Rückgrat und die Dichte.
Im Ölbaum gibt es sehr viel Lehm, oft sind die Böden trocken und müssen aufgebrochen werden, oder sie sind zu nass und auch nicht nützlich. In guten Jahren unterstützt das die Cremigkeit der Weißweine.
Für seine Weißburgunder Neuanlage war das in diesem Jahr sehr schwierig.
Im weitverzweigten Weingut sind Kellerflächen und Lager aufgeteilt.
Manches steht hier, manches dort. Ich schrieb es schon.
Den Weißweinkeller erreicht man nur, wenn man einmal um die Gebäude herum läuft. Dann aber modernste Technik, Klimaanlage trotz Kühltanks, um im Sommer die gelagerten Weine nicht zu gefährden.
Kleines Detail am Rande. Manches Mal musste Bernd Hummel beim Einkauf improvisieren. So gibt es nun so einige Spezialtanks, die seinesgleichen suchen.
In der Schatzkammer lagern Weine aus den Ursprüngen, die nötigen Rückstellproben, aber auch die private Sammlung von Bernd Hummel und Daniel Rhein.
Dann zeigt er mir eine ganz besondere Rarität. In einer Holzkiste verpackt liegt eine Flasche Sekt des Rumänischen Sektguts Rhein. Auch wenn das Gut inzwischen in einer großen englischen Company aufgegangen ist, sind dort die Wurzeln seiner Familie. Diese Flasche wird von einer Generation in die Hände der anderen gelegt.
Marketing
Daniel Rhein lässt gerne die Weine für sich sprechen, auch wenn er es in seiner leisen klaren Art stets schafft, die Kunden zu überzeugen. Sicher lebt er von dem Bestand, den Bernd Hummel aufgebaut hat, aber er geht selbstbewusst mit diesem Erbe um. Und es scheint, als würde er es genießen, das Netzwerk mehr und mehr zu übernehmen. Auch wenn sein Wir das der übergreifenden Generationen ist.
Ich darf ihn erleben im Kundengespräch. Er trifft den Geschmack der Menschen. Und er ist sehr persönlich in seinem Umgang. Er hat Freude am Interesse der Kunden. Dann holt er schnell noch eine Flasche, die unbedingt probiert werden muss.
Veranstaltungen sind ein wichtiges Marketinginstrument, denn es geht auch immer darum, neue Kunden zu interessieren.
Oder die eigene Jungwein Präsentation im Frühjahr, welche zur Kundenbindung beiträgt. Das Besondere hierbei ist, dass es jedes Jahr zusätzlich eine Raritätenprobe gibt.
Die Hummel Weine sind in den lokalen Weinhandlungen sowie in einigen Gourmet Häusern vertreten. Beispiele sind die Hirschgasse Heidelberg, die Vinothek der Schlossgastronomie in Heidelberg, sowie die Krone in Bretten.
90 Prozent der Weine allerdings verkauft das Gut direkt.
Spätburgunder. Reserve, Auslese R, Doppel R, Dreifach R
Besucht man Daniel Rhein, so braucht man Zeit. Denn er möchte dem Gegenüber einen Überblick über sein breites Spektrum verschaffen. Eine Vielzahl von Weinen verkosten wir.
Für die Reserven wird der Ertrag auf ein Drittel reduziert. 10-15% als Saftabzug noch einmal weggenommen, um den Wein sehr dicht zu machen. Während der Reife werden die Fässer alle vier bis fünf Wochen probiert. Fassweise wird entschieden, in welcher Kategorie der Wein ausgebaut wird. Es gibt am Ende winzig kleine Tranchen von klassischer Reserve, Auslese R und Doppel R. Diese Weine haben dann auch ihren Preis.
Die Reserven kommen oft aus neuem Holz oder Holz in Zweitbelegung.
Bei drei verschiedenen Küfern wird eingekauft. Die Qualität der Produzenten hinterfragt.
Wie alles hier ist auch das sehr bedacht. In den alten gebrauchten Fässern lagern die Literweine.
Manchmal muss er die Reserve Weine zu früh füllen. Ich wünschte mir, das könnte er ändern. Aber verkaufen muss er ja. Ein Problem, das er mit vielen Winzern teilt.
Und nicht alle Jahre sind für die Reserven reif. Nach 2012 ist 2015 groß geworden.
Im letzten Jahr gab es zwei Fässer, die immer wieder hervorstachen in der Verkostung.
Sie sollten Doppel R sein, waren aber einzigartig. Und so entstand das Triple R.
Hier sind Weine von Kraft und Perfektion.
Verkostung Spätburgunder
2012 Spätburgunder Reserve
Malscher Rotsteig
Rauch, Espresso, schwarzer Pfeffer, Schwarzkirsche prägen die Nase. Am Gaumen Auftakt von Zartbitter, Süßkirsche, leicht kühl und würzig in einem extrem langen sehr eleganten Nachhall.
Als Speisenbegleitung wähle ich Hirschroulade mit Pastinakenpüree und Cranberries.
2012 Spätburgunder Auslese R
Malscher Rotsteig
Pflaume, Schwarztee, Pfeffer, Rauch und Gelee von Cassis eröffnen die Nase. Rauch und Pfeffernoten setzen sich am Gaumen fort, gefolgt von Kirschmarmelade, einigen Säurespitzen. Mündend in Zartbitter, sehr dicht und stoffig mit großer Länge und rauchigem Finish.
Als Speisen empfehlen sich Rosa gebratener Rehrücken mit Schokoladensauce und tomatisierter Polenta.
Für mich ist dieser Wein ein perfekter Solist. Er genügt sich selbst auch ohne Speise.
2015 Spätburgunder Auslese RR
Malscher Rotsteig
Kaminrauch, Sauerkirsche und Cassis prägen die Nase. Am Gaumen kräftige Adstringenz, recht animalisch, rote Frucht. Noch leicht verschlossen, in langem nussigen tanninbetonten Finish.
Der Wein ist jung. Er braucht noch Zeit zum Reifen.
Rindersteak mit Olivenkruste, geschmorte Kirschtomaten und Safran Risotto ist hier mein Speisenvorschlag.
2015 Spätburgunder Auslese RRR
Malscher Rotsteig
Espresso, Jamaikapfeffer, Kaminrauch, viel Kirsche, Veilchen sind in der Nase.
Am Gaumen weicher Fruchtauftakt von Pflaume, Süßkirsche, etwas Gelee, leicht würzig, nussig.
Sehr feine Säure ergänzt das Spektrum.
Noten von Zartbitter, Espresso, Rosmarin münden in einem komplexen dichten runden Nachhall.
Viel Dichte gepaart mit Aromen, Tannin und Säure machen diesen Wein unendlich lang und elegant.
Man kann ihn nur schluckweise genießen. Ganz großes Kino. Es ist Wein, der keine Speise braucht.
Die Brände
Auch die Brände werden im Weingut selbst hergestellt. Die Brennerei sei schnell zu lernen, sagt Daniel Rhein. Ich merke dennoch, daß dies eine der Arbeiten in seinem Weingut ist, wovor er einen gehörigen Respekt hat.
Das Leben in solch einem Raum mit den austretenden Gasen ist nicht ungefährlich.
Der Raum der Brennerei ist klein. Er wird fast zu Gänze ausgefüllt von der Destilliermaschine.
Diese ist eine kostspielige hervorragende Anlage von Arnold Holstein mit einem dreistufigen Glockenbodensystem und Katalysator, so dass man fürs Brennen nur einen Durchgang braucht.
Was bedeutet, dass diese Art des Brennens sehr modern ist und vor allem das Aroma schont, die Brände feiner werden lässt.
Das Weingut ist Pächter einer Obstwiese, so gibt es neben Tresterbränden, die reinsortig destilliert werden, auch Quitte, Williams, Kirsche, Apfel.
Der Trester wird jahrelang in alten Fässern aufbewahrt. Er dunkelt nach und wird unglaublich weich.
Ich koste Marc vom 1994 Spätburgunder und bin beeindruckt. Denn Brände sind nicht mein Metier.
Das hier ist extrem weich und auskleidend im Mund mit Noten von Zigarrenblättern, Rosenholz, Walnüssen, Torf. Sehr lang und fast anschmiegend.
Jedes Jahr gibt es eine neue Flaschenform für einen Weihnachts-Brand, den treue Kunden schätzen.
Der Unermüdliche
Verkostungen, Veranstaltungen, private Proben mit dem großen Kundenstamm, Firmenfeiern im angeschlossenen großen Probenraum.
Die Arbeit im Herbst, wenn er tagsüber im Weinberg die Helfer einweist und beaufsichtigt.
Und dann nachts die Trauben presst und in die Tanks füllt.
Dieses Jahr hat er sich einen Finger gebrochen und musste lernen, abzugeben.
Die vielen Bereiche, die sein Weingut abzudecken hat. All das will gut geplant sein.
Es scheint, als würde er immer arbeiten. Und habe dennoch für alles ausreichend Zeit.
Ich hätte seine Frau Lisa fragen sollen, die einen eigenen Beruf hat und doch viel unterstützt.
Die Frauen wissen das ja meistens besser. Aber Lisa bevorzugt selbst die leisen Töne.
Er ist gut vernetzt in der lokalen Szene mit seinen Kollegen. Man trifft sich zum Austausch und Probieren.
Das Weißburgunder Charta Projekt fordert Veranstaltungen.
Die legendäre Käseprobe tagelange Vorab Auswahl.
Worüber er spricht, was auch immer er erzählt. Er wird nicht müde.
Egal wie sehr es ihn beansprucht. Er lebt für seinen Wein. In ruhiger unbeirrter Art.
So wird er sich auch seinem neuen Jahrgang nähern.
Mit eigener Handschrift inmitten des Bewährten.
Und ich bin sicher, dieser Jahrgang wird gradlinig und sehr gut.
Generationswechsel. Daniel Rhein im Weingut Hummel.
Preise
Weine Basislinie € 7,90-9,90
Secco € 6,90
Sekt € 12,90
Weine aus diesem Artikel
Weissweine € 10
Rotweine € 15
Reserven € 25,00
Auslese R € 56,00
Auslese RR € 75,00
Brände € 15,00-35,00
Ich danke Daniel Rhein für die Überlassung der Fotos von Innenhof und Außenansicht des Weinguts.
Rechte folgener Fotos bei Ernst Merkhofer
Porträtfoto D. Rhein im Barrique Keller, Alle Traubenbilder, Auslese R auf Holzfass.
Weitere Verkostungsnotizen weiß
2015 Chardonnay Kabinett trocken
Malscher Ölbaum
Zitrus, Ananas eröffnen die Nase, etwas laktisch, Banane, Litschi, Haselnuss.
Am Gaumen breite Fruchtaromen von Litschi und Pfirsich. Feine kurze Säure, aromatisch, auskleidend.
Im Nachhall reif, abgelöst durch Limettenfinish.
Dazu verbindet sich gut Seeteufel mit Zitronengrassauce und Schwarzem Reis. Geschnetzeltes vom Kalb mit Estragonschmand.
2015 Sauvignon blanc „S“ trocken
Malscher Ölbaum
Stachelbeere, Cassis, Paprika, Feuerstein bestimmen die Nase. Am Gaumen leichter Drops, Akazienhonig, Cassis, weiße Blüten. Im langen Nachhall viel Aromenspektrum mit langer Eleganz.
Speisenbegleiter sind Fenchel-Ziegenkäsetörtchen mit Vanille Orangensalat. Bouillabaise mit Sc. Rouille.
2016 Riesling Kabinett trocken
Malscher Ölbaum
Mineral und Meersalz in der Nase. Reifer Pfirisich, Mirabelle, Aprikose, Oregano, etwas Toast.
Am Gaumen Auftakt von reifen gelben Früchten, Meersalz, weißem Pfeffer, abgelöst von präganter feiner Säure.
Im mittleren Nachhall frische Säure verbunden mit feiner Frucht.
Meine Speisenempfehlung sind Kohlrabicarpaccio mit Zitronenöl und Vanillebuchteln. Risotto mit Grünspargel und Garnelen. Zander in Weißweinschaum mit Blattspinat und Kartoffelpüree.
Weitere Verkostungsnotizen rot
2014 Spätburgunder Spätlese trocken
Malscher Rotsteig
Kirschennase wird ergänzt von rosinierten Trauben, Orangenceste, Oregano. Am Gaumenauftakt etwas rauchig, Teer, abgelöst von reifer Kirsche, Pflaume, leichter Säure. Im Nachhall würzig und sehr ausgewogen.
Speisenbegleiter sind Rehrücken mit Preiselbeeren und Semmelknödel. Gebratener Fasan in Traubensauce mit Kartoffelbaumkuchen.
2014 Cuvée Cabernet trocken
Malscher Rotsteig
Cabernet Sauvignon, Cabernet Mitos, Cabernet Franc in ungefähren Dritteln
Cassis, Brombeere, getrocknete Pflaume, etwas Stall, Kaminrauch, Zimt eröffnen die Nase. Am Gaumen viel weiche Frucht, leichte sehr ausgewogene Adstringenz, Brombeergelee, Cassis, etwas Laub, Zimt, sehr füllig. Im Nachhall viel Pflaume ergänzt von milden auskleidenden Tanninen.
Ein guter Trinkwein in perfektem Preisverhältnis.
Der Speisenauswahl ist reichlich. Schweinesteak mit Kürbisragout und Spinatgnocchi. Rindergulasch mit Roter Bete und Wildreis.
2012 Cabernet Sauvignon/ Merlot Spätlese trocken
Malscher Rotsteig
60% Cabernet Sauvignon, 40% Merlot
Die Nase prägen Nougat, Tabak, Pflaumenkompott, Cassis, Zimtstangen, gemahlene Walnüsse, Wachholder. Kühle Noten und leichte Adstringenz am Gaumenauftakt, mündend in fast fleischige Fruchtaromen, sehr weich, würzig mit Pflaume und Zimt.
Im Nachhall stoffig, auskleidend mit viel Frucht und langen sehr weichen Tanninen.
Sehr stoffig. Weich und Lang. Ein Ausnahmewein.
Als Speisen empfehlen sich Boeuf Bourgignon mit Kartoffelgratin und Bohnen. Gulasch vom Hirschen mit Selleriestrudel.
2012 Cabernet Sauvignon Reserve trocken
Malscher Rotsteig
Leicht animalisch in der Nase mit Noten von Cassis, Lakritz, Waldboden, Bitterschokolade, Graphit, Brenessel.
Am Gaumen viel Kaminrauch und Lakritz, gefolgt von Zartbitter. Präsente weiche Tannine. Sehr auskleidend mit weicher Adstringenz.
Im Nachhall stoffig mit viel Cassis und Rauch. Gute lange Tanninstruktur.
Als Speisen wähle ich Lammrücken mit Ratatouille und Kartoffelkrapfen.
Surf & Turf vom Rinderfilet mit Rotweinjus, bunten Karotten und Kartoffelgratin.
Auch Steaks vom Rind mit Kräuterbutter, Olivenbrot und Rosenkohl.
Mal wieder schwelgen zwischen Sekten, Bränden und Reserven – Juliane Gasserts gutgeschriebener Artikel weckt die Freude am Probieren und selbst entdecken. Weingut Hummel – eine Lektüre mit langem Nachhall.
Danke! Es war in der Tat eine vielseitige Begegnung.