Abgesang auf ein Ausnahmerestaurant- Villa Merton

Villa Merton – Sterneküche von Matthias Schmidt

Wochenlang hat Egon um einen Tisch gekämpft….Ein Kampf gegen die Uhr, denn das Restaurant in der Villa Merton schließt Ende des Jahres…..Endlich war es soweit. Wir wurden erwartet.

Rechte bei Wonge Bergmann

Rechte bei Wonge Bergmann

Schicke Gründerzeit Villa, die Einrichtung sehr gediegen, das war der erste Stilbruch.
Doch die gesunde Mischung des Publikums von jungen Leuten, die sich nicht an irgendeinen Dresscode hielten und der gesetzten Frankfurter Society am Nachbartisch ließ das schnell vergessen.
Kaum hatten wir den Apero bestellt, rannten die Ameuse schon an uns vorbei….Ich sagte: rannten, denn wir waren soo schnell gar nicht auf den Beginn der Genüße vorbereitet….
Egon freut sich- ich bin noch beschäftigt mit dem Ankommen.
Der zweite Stilbruch folgt sofort: hier ist alles anders.
Dieses Restaurant passt eigentlich gar nicht in solch eine gediegene Villa.
Dieses Essen ist ein Experiment, ein Ausrufezeichen, es arbeitet mit Blättern, Gewürzen, Pasten, Saucen, kontrastreichen Anrichtungsformen, keine Hummer, Kaviar, dried aged beef-Variante.
Matthias Schmidt und sein Team verarbeitet Regionales und die Basics jeder Küche zu einem
Feuerwerk des Geschmacks.

Alles hier ist getrocknet, eingeweckt, geräuchert, fermentiert – und fügt sich in einer Weise zusammen, die Essen ganz neu erleben lässt. Gemüse und Kräuter, Beeren, Öle werden zu Königen erhoben…ein Fisch, ein Fleisch bleiben Marginalie….Aber der Küchenchef fordert auch einiges von uns: Welsleber und Hahnenkamm sind nicht die gängigsten Nahrungsmittel…..
Präzision in jedem Detail und eine sehr eigene Handschrift, vor allem in der Art des Anrichtens: wir bekommen Keksdosen, ausgehöhlte Knochen als Platzhalter, Tonteller…
Die Ameuse werden mit den Fingern gegessen.
Es kommt alles so leicht daher
und doch bedarf es höchster Konzentration, diese Speisen zu verstehen.

Die kleinen Details eines Sternehauses, wie den Stuhl zurecht rücken, eine neue Serviette beim kurzen Aufstehen, ein neuer Butterteller, weil ich da etwas abgelegt hatte, werden aufmerksam und leise ausgeführt.
Dabei wäre das gar nicht nötig. Denn wir sind hier, um Speise und Wein zu ergründen.
Der Service ist strahlend, locker, schnell, sehr persönlich und bestens ausgebildet.
Ich habe selten eine so gelungene Mischung von Kompetenz, Leichtigkeit und eigener Persönlichkeit erlebt!!!
Wissend, dass ein solcher Abend Knochenarbeit bedeutet.

Schönes Detail auf der Speisekarte: die Namen aller Köche und aller Kellner sind hier verzeichnet-man hebt die Menschen aus der Anonymität.
Ein entspannter Küchenchef, der in schönstem Dialekt ganz persönliches an unserem Tisch erzählt. Sicher wissen wir, dass das Teil der Show ist und dass man mit 33 Jahren noch keine Falten hat. Dennoch hat es uns sehr gefallen.

Die Weinbegleitung war spannend, wurde sehr gut kommentiert, mitunter jedoch sehr eigen. Wie alles in diesem Restaurant.

Es ist traurig für alle Gourmets, dass dieses Restaurant am Jahrsende Geschichte sein wird. Matthias Schmidt hat eindeutig erklärt, dass er vorerst nicht weiter kochen wird. Und es scheint, als sähen die Mitarbeiter das auch gelassen. Eine Ära geht zuende, sie wenden sich anderen Aufgaben zu. Sie haben Höchstes erreicht mit leichter Hand. Und wir waren froh, dass wir es genießen konnten…
Hoffen wir, dass die Idee, die Haltung dieser Küche dennoch weiter getragen wird.

Gericht Luftgetrocknetes Heidschnuckenfleisch und Ziegenfrischk

Rechte bei Wonge Bergmann

Hier ist das Menü:

die Küche überraschte zunächst mit einigen aufregenden Grüßen:

Selleriestroh & pochiertes Wachtelei
Schinken von der Heidschnucke in Wachholder geräuchert
Frischkäse mit Edelvogelbeere
Schmandkekse, Grünkernwacholder, eingeweckte Fichtensprossen
Radieschenfrüchte & Johannisbeerbusch-Emulsion
Linsenbrühe, legiert, mit Weizengrasöl

Champagner Legras y Haas, Blanc de Blanc Grand Cru
schöne Textur, rund und lang

Gefrorenes aus Sekt am Haselnußstrauch

Nun zu den Gängen:

Stadtredaktion Frankfurt

Rechte bei Wonge Bergmann

Grünkohl, Gestockte Ziegenmilch, Bohnenkraut, Bucheckern
Grünkohl al dente, mit dem Buchweizen angerichtet, on top Bohnenkraut als Kontrastgeber, Petersiliencreme als Gemäde auf dem Teller verteilt, die Ziegenmlich war eine cremige Nocke und ein gutes Gegenstück

2013 Satzenberg Weißburgunder Spätlese, Alte Grafschaft, Baden
wunderbarer Wein mit reifen Aromen und guter Länge

 

Sonnenblume, Topinambur, Feldsalat, Holzkohleöl, Meerrettich
Topinambur  roh, in pochierten Stücken, und als Püree,  Mini Feldsalat locker gestreut und als eiskalte Creme. Der Meerrettich als cremige Konstanz dazwischen. Sensationell: warm und kalt, erdig und scharf. Das Holzkohleöl hatte einen hohen Grad von Salz, war ausgestrichen auf dem Teller, die körnige Konsitenz begleitete den Topinambur sehr gut. Sonnenblumenblätter als kleiner Kontrast.

2009 Riesling, Christ, Morstein & Geyersberg (gekeltert vom Weingut Dreissigacker)
tolle Textur, zu Beginn ganz frisch, später die reifen Aprikosennoten, leichter Firn

 

Welsleber, Gundermann, Löwenzahnknospen, Majoran
Der Geschmack der Leber ist leicht bitter, das fängt sich aber gut auf in Gundermannbutter & aufgegossener Sauce (Gundermann ist eines der Frankfurter Grüne Sauce Kräuter…) dazu gab’s Zwiebelgewächse, das war exorbitant: Zwiebeln leicht pochiert….

2009 Chardonnay,Domaine de Courcel, Burgund
für mich einen Tick zu toastig. Dennoch schöner Burgunder, zum Gang perfekt.

 

Hühnerbrühe, Rindermark, Pimpinellensamen, Hahnenkamm,Buchenkeimblätter
Hahnenkamm frittiert, schmeckt wie eine Mischung aus Blättern und Rogen. Buchenkeimblätter hatten eine leicht bittere Note, darauf geräucherter Pimpinellensamen, sehr schön… Angerichtet: Hahnenkamm in ausgehöhlten Knochen. Teller ausgestrichen mit Rinderfett, darin kleine Fettwürfe, mit Minichips vom Schinken, aufgegossen mit der legierten Brühe. Unglaublicher Geschmack

Foodfotos Gerichte von Sternekoch Matthias Schmidt Villa Merton Frankfurt am Main

Rechte bei Wonge Bergmann

2001 COS, Grecanico,  Rami , Sizilien
solche Weine muss man verstehen, weil spontan vergoren und aus der Amphore:
viele Bitterstoffe, Rosinen, am Ende leichte Zitrusnoten

 

Rotwild, Rote Bete, Holunderbeeren, Fichte, Wacholder
In diesem Gericht überwog eindeutig die Bete: als Püree eine geschmeidige, fast säuerliche Konsistenz,
das Wild, ein überaus fantastisches kleines Stück, legiert mit perfekter Jus, aber das Wichtigste war eine Zentimeter dicke runde al dente Bete Scheibe, geräuchert, mit Vogelbeer versehen,
sie war die Königin dieses Gerichtes- in der Kombination mit dem Fleich einzigartig.

2011 St. Jean du Barroux  „La Source“ , Philippe Gimel, Provence
Grenache, Cinsault, Mouvedre
perfekt abgestimmte Aromen von dunklen Beeren, Schokolade, feine Tannine, gute Länge

 

Handkäs mit Musik
Gebratene Roggenbrotstücke, leichte Creme des Käses, aufgegossen mit warmem flüssigem Käse – der Clou sind drei Drops, in denen Anis flüssig wird. Sensationells Aroma, tolle Textur.

Birnencidre, Andreas Schneider
das war geschmacklich sehr gut, aber nicht so ganz aufregend…

 

Gefrorenes Felsenblümchen mit Speierling und Senfkaramell
Kam als Sorbet sehr exotisch

Möhre, Traube, Schwarzbier, Rosen
Es war schwer, dieses Gericht zu verstehen, denn die Möhre kam als Geröstel, die Traube war versteckt, das Eis gegen die anderen Komponenten wieder in einem hohen Kontrast.
Aber spannend war es.
Sensationell:die frittierten leicht kandierten Rosen.

 2009 Hattenheimer Nussbrunnen, Riesling Auslese, Balthasar Ress, Rheingau
im Himmel des Rieslings! – Firn, reife Fruchtnoten, große Länge

Rechte bei Wonge Bergmann

Rechte bei Wonge Bergmann

 

Es war ein Fest.

http://www.villa-merton.de/

Rechte aller Fotos bei Wonge Bergmann
http://www.freelens.com/wonge-bergmann
zur Verfügung gestellt von Kofler & Kompanie GmbH

 

 

 

 

 

 

3 Kommentare zu “Abgesang auf ein Ausnahmerestaurant- Villa Merton

  1. Erlesene Prosa zu phantastischen Gaumengenüssen. Wie immer ein Erlebnis der Sinne auf diesem Blog!

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